ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2005; 114(10): 443-448
DOI: 10.1055/s-2005-922018
Kieferorthopädie
CME-Beitrag
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kieferorthopädisches Therapiemanagement bei der Extraktionstherapie in der ersten und zweiten Dentition

H. Landmesser, K. Staufer
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Publication Date:
11 November 2005 (online)

Lernziele

allgemeine Indikation zur Reduktion der Zahnzahl Ziele und Ablauf der gesteuerten Extraktion nach Hotz Kontraindikation bei Milchzahnextraktion Kausalzusammenhang zwischen apikaler Basis und Langzeitstabilität Konfliktpotenzial bei Extraktionskonzepten Zeitmanagement bei der Extraktion der 1. Molaren (M1) Indikation zur Entfernung der 2. Molaren (M2) Therapiemanagement für die 3. Molaren (M3)

In der historischen Entwicklung des Fachgebietes wie auch in der gegenwärtigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung dominieren 2 Themenkomplexe: zum einen Nutzen und Notwendigkeit der Frühbehandlung in Verbindung mit einer Wachstumsbeeinflussung und zum anderen die Abgrenzung von Therapiekonzepten mit Expansion der Zahnbogen zur Platzbeschaffung gegenüber einer Entscheidung zur Entfernung von Zahneinheiten. Dabei ist es ebenso notwendig wie berechtigt, vorrangig die Stabilitätsanforderungen an Zahn- und Kieferstellung sowie Zahnbogenform nach Behandlungsende zu favorisieren mit einem vertretbaren Retentionsaufwand und Retentionsdauer.

Durch das ständig erweiterte Therapiespektrum der Orthodontie gelingen umfangreiche Behandlungsaufgaben, die eigentliche Herausforderung jedoch besteht in der Kenntnis und Akzeptanz der individuellen naturgegebenen Grenzen für intra-und extraorale Veränderungen mit dem Ziel, ein optimales Verhältnis zwischen fazialen und kranialen Strukturen herzustellen bzw. dauerhaft sicherzustellen. Daraus lässt sich das wissenschaftliche Fundament der Extraktionstherapie für beide Dentitionen ableiten. Unter Berücksichtigung künftig geforderter evidenzbasierter Leitlinien wird das Verhältnis von erreichbaren Vorteilen und Aufwand, insbesondere aber auch der Umfang von Risiken der Therapievarianten bzw. deren Beherrschung, auf dem Prüfstand stehen. Somit liegt die Fokussierung im anspruchsvollen und professionellen Therapiemanagement nach einer getroffenen Entscheidung zur Reduktion der Zahnzahl (präzise Planung des Lückenschlusses von mesial und distal, Inklination und Position der Inzisivi, Festlegung der optimalen Bisshöhe etc.).

Ob mit der Extraktion von Zähnen auch die individuell optimale Therapievariante konzipiert und durchgeführt wurde, lässt sich im Behandlungsresultat an den 6 Schlüsseln der Okklusion nachAndrews [1] analysieren. Die Beurteilungskriterien sind: gesicherte Fossa-Höcker-Beziehung im Seitenzahnbereich, korrekte Angulation der Kronen in mesio-distaler Relation (keine Kippung, orthoradialer Verlauf der Zahnachse), korrekte Neigung der Kronen in labiolingualer bzw. bukkolingualer Relation, keine Rotationen, keine sichtbaren Lücken und vor allem eine flache Okklusionskurve.

Nur in diesem Zusammenhang darf postuliert werden, die Entfernung gesunder Zähne in den Dienst der Gebissgesundheit zu stellen und diese Überzeugung auch an den Patienten bzw. Patienteneltern weiter zu vermitteln.

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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Helga Landmesser

Universität Witten/Herdeck, Fakultät für ZMK-Heilkunde

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