Geburtshilfe Frauenheilkd 2005; 66 - P6_10
DOI: 10.1055/s-2005-920846

Entbindungsmodus bei Geminigravidität

S Becker 1, T Fehm 1, A Mutz 1, E Solomayer 1, D Wallwiener 1
  • 1Universitätsfrauenklinik Tübingen, D-Tübingen

Hintergrund:

Als Folge der assistierten reproduktionsmedizinischen Techniken hat die Zahl von Gemini-Schwangerschaften in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Der Geburtshelfer wird dadurch häufiger mit der Frage nach dem optimalen Entbindungsmodus konfrontiert. Viele Frauen wünschen sich trotz Gemini eine vaginale Entbindung. Es ist wichtig, diesen Schwangeren konkrete Auskunft über die Erfolgschancen sowie die Sicherheit eines vaginalen Entbindungsversuches zu geben.

Methode:

Wir haben insgesamt 334 Gemini-SS, die zwischen 1997 bis 2002 an der Universitätsfrauenklinik in Tübingen entbunden wurden retrospektiv untersucht. Bedingung für vaginale Entbindungsversuche an der Universitätsfrauenklinik Tübingen sind: Abgeschlossene 34. Schwangerschaftswoche, führender Geminus in Schädellage, keine weitere fetale Pathologie, keine gravierende mütterliche Pathologie. Endpunkte der Untersuchung waren Entbindungsmodus, fetales Gewicht, fetale pH und Apgar-Werte. Die Gruppe der Frauen mit vaginalem Entbindungsversuch wurde separat analysiert um begünstigende und erschwerende Faktoren zu definieren.

Ergebnis:

Insgesamt hatten während des o.g. Zeitraums 199 Frauen die Option der vaginalen Entbindung. Von diesen Frauen entschieden sich 47 (23%) für eine primäre Sectio. 152 Frauen (73%) unternahmen einen vaginalen Entbindungsversuch. Die Sectiorate in dieser Gruppe lag bei 32% (49/152). Bei neun der Frauen in dieser Gruppe (5.9%) musste ein Kaiserschnitt für den II. Geminus durchgeführt werden. 68% der Frauen (103/152) konnten vaginal entbunden werden.

Die vaginal erfolgreiche Gruppe war vom SS-Alter her weiter (36+3 vs. 35+4) und hatte deutlich häufiger eine erfolgreiche vaginale Entbindung in der Anamnese. Der II. Geminus lag in der vaginal erfolgreichen Gruppe in 83% in SL, in 27% in BEL und in 0% in QL. In der Sekundären-Sectio-Gruppe lag der II. Geminus wie folgt: 60% SL, 24% BEL, 16% QL. In der vaginal erfolgreichen Gruppe waren beide Gemini annähernd gleich schwer. In der sekundären Sectio-Gruppe war der II. Geminus im Durchschnitt um 100g leichter.

Schlussfolgerung:

60% aller Gemini-SS haben die Option einer vaginalen Entbindung. Ein vaginaler Entbindungsversuch wird an unserer Klinik von immerhin 77% der dafür infrage kommenden Schwangeren mit Gemini angestrebt. Die Erfolgsrate ist 68%. Unabhängig vom Entbindungsmodus konnten wir keine relevanten Unterschiede bei Apgar und pH-Werten in Abhängigkeit vom Entbindungsmodus nachweisen.

Die ideale Kandidatin für einen vaginalen Entbindungsversuch bei Gemini hat bereits ein Kind vaginal geboren, hat mindestens die 36+ SSW erreicht, beide Kinder liegen in Schädellage und sind vom Gewicht her fast gleich schwer geschätzt.