Hintergrund/Ziele und Forschungsfragen: Trotz der Zunahme abhängigkranker Migranten, nehmen diese Suchthilfeeinrichtungen
kaum in Anspruch. Die suchtmedizinische Versorgungslandschaft scheint ihnen nicht
gerecht zu werden. Um Zugangsbarrieren aufzudecken, führten wir eine empirische Untersuchung
der suchtmedizinischen Versorgung drogenabhängiger türkischer und russlanddeutscher
Jugendlicher durch. Wir vermuteten u.a., dass ein unterschiedliches Erklärungsmodell
süchtigen Verhaltens bei Migranten dazu beiträgt, dass Hilfseinrichtungen von ihnen
kaum in Anspruch genommen werden. Material und Methoden: Wir befragten 10 Professionelle des Suchthilfesystems sowie 15 türkische Drogenabhängige
mittels qualitativer Interviews. Ebenso untersuchten wir kulturelle Differenzen in
Erklärungsmodellen süchtigen Verhaltens bei 244 deutschen, türkischen und russlanddeutschen
Jugendlichen anhand statistischer Verfahren (Freelisting, Pilesort, hierarchische
Clusteranalyse, multidimensionale Skalierung). Ergebnisse: Einflüsse auf das Inanspruchnahmeverhalten konnten aufgedeckt werden, die bisher
nicht berücksichtigt wurden. Frustration, mangelnde Integration und fehlende Perspektiven
beschreiben die Situation drogenabhängiger Migranten. Sie wirken sich erheblich auf
eine mangelnde Motivation zur Therapieaufnahme aus. Es zeigten sich Unterschiede im
Krankheitsverständnis deutscher und türkischer Jugendlicher. Fast die Hälfte der türkischen
Befragten bezeichneten zentrale schulmedizinische Konzepte wie das der körperlichen
Abhängigkeit oder Kontrollminderung als gänzlich ungeeignet zur Beschreibung einer
Suchtproblematik. Die Befragung russlanddeutscher Jugendlicher ist noch nicht ausgewertet,
Ergebnisse werden allerdings in Kürze darstellbar sein. Schlussfolgerungen und Diskussion: Die Versorgung suchtkranker Migranten gehört zum Alltag im Suchthilfesystem, stellt
es aber immer wieder vor ungewohnte Aufgaben. Präventive Aufklärungsarbeit muss Unterschiede
in Krankheitskonzepten aufgreifen, um verständliche Informationen für Jugendliche
zu bieten.