Gesundheitswesen 2005; 67 - P23
DOI: 10.1055/s-2005-920611

Stand und Potenziale der Zusammenarbeit von Selbsthilfegruppen und Ärzten

C Kretzschmar 1, W Slesina 1
  • 1Medizinische Soziologie, Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg

Hintergrund/Ziele: Ziel dieser Fortsetzungsstudie ist es, Formen des Zusammenwirkens von professioneller medizinischer Versorgung und Selbsthilfegruppen in einer Region nach 12 Jahren zu bilanzieren sowie Potentiale und Bedarfe zu beschreiben. Material und Methoden: Studienregion ist Ostwestfalen-Lippe. Befragt wurden 140 niedergelassene Ärzte (Zufallsauswahl, 47% Beteiligung) und 167 Selbsthilfegruppen (=69% Beteiligung). Ergebnisse: Die Zahl der Ärzte mit Kontakt zu SHGn hat sich in den letzten Jahren erhöht: von 43,8% im Jahr 1989, 52,2% im Jahr 1992 auf 58,6% im Jahr 2003. In den letzten 12 Monaten hatten 35,7% der Ärzte einen SHG-Kontakt. Bei Ärzten mit SHG-Kontakt in den letzten 12 Monaten fand sich eine z.T. signifikant positivere Sichtweise von Selbsthilfegruppen im Vergleich zu den anderen Ärzten (p<0,05). Außerdem rieten sie Patienten signifikant öfter zur SHG-Teilnahme. Für die letzten 12 Monate gaben 65,3% der Selbsthilfegruppen Kontakte zu Ärzten an: Gruppen Organkranker (72,7%), Abhängigkeitskranker (57,1%), Behinderter (50,0%) psychisch Kranker (38,5%); feste Kontakte lagen bei 25,1% der Gruppen vor. Der Zugang neuer Mitglieder zur Gruppe erfolgt primär durch Hinweise von Bekannten oder Betroffenen (73,1% der Gruppen), Arztempfehlung (38,3%) und Infos in der Zeitung (35,9%). Hauptsächliche Wünsche der Gruppen an Ärzte waren u.a. vermehrte Kooperationsbereitschaft, Akzeptanz des Erfahrungswissens der Betroffenen, eine stabile ärztliche Ansprechpartnerschaft. Vorteile einer (verstärkten) Kooperation sehen die Gruppen nicht nur für die eigenen Anliegen, sondern für eine verbesserte Versorgung chronisch Kranker allgemein. Schlussfolgerungen und Diskussion: SHGn sind intermediäre „Instanzen“ zwischen den von chronischer Erkrankung betroffenen Menschen und dem professionellen Versorgungs- und Expertensystem. Die Kooperation von Ärzten und Selbsthilfegruppen ermöglicht einen Kommunikationsfluss in beide Richtungen mit Lerneffekten und praktischen Handlungsanstößen.