Gesundheitswesen 2005; 67 - V74
DOI: 10.1055/s-2005-920568

Steigende Kaiserschnittraten – ein epidemiologisches Problem?

C Schwarz 1, B Schücking 2
  • 1Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Universitätsklinikum Magdeburg
  • 2Universität Osnabrück

Hintergrund und Forschungsfragen: Steigende Kaiserschnittraten sind ein weltweit zu beobachtendes Phänomen (BRD 2003: 27%), das kontrovers diskutiert wird. Der Haltung, einer Frau dürfe bei den heutigen minimierten Risiken des Eingriffs ein Kaiserschnitt nicht vorenthalten werden, wenn sie ihn wünscht, steht entgegen, dass mit Komplikationen und mit langfristigen Folgeerscheinungen zu rechnen ist und dass personelle und materielle Ressourcen verbraucht werden, die an anderer Stelle nutzbringender eingesetzt werden könnten. Material und Methoden: 1. eigene Analyse der Niedersächsischen Perinatalerhebung 1984–1999 und geburtshilfliche Daten der BQS 2000–2004, 2. in internationalen Zeitschriften veröffentlichte Ergebnisse der Befragung von Frauen nach Kaiserschnitt und 3. Ergebnisse von in Australien durchgeführten epidemiologischen und ökonomischen Studien zum Kaiserschnitt. Ergebnisse: 1. Von steigenden Kaiserschnittraten sind zunehmend auch Frauen mit normalem Schwangerschafts- und Geburtsverlauf betroffen. Ältere Frauen sind vor allem von vermehrten primären (geplanten) Kaiserschnitten betroffen, sekundäre Kaiserschnitte sind dagegen nicht erhöht. Die kindlichen Outcome-Parameter haben sich durch vermehrte Kaiserschnitte nicht verbessert. 2. Viele Frauen, die einen Kaiserschnitt hatten, geben bei einer späteren Befragung an, sie hätten eine vaginale Geburt bevorzugt. Der Kaiserschnitt sei ihnen als das „kleinere Übel“ oder als die einzige sichere Geburtsmethode für das Kind nahegelegt worden.

3. Ergebnisse australischer Studien, insbesondere im Zusammenhang mit den DRGs, werden bei der Tagung zu berichten sein. Schlussfolgerungen und Diskussion: Tatsache ist, dass durch steigende Kaiserschnittraten höhere Kosten für das Gesundheitssystem entstehen. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse stellt sich die Frage, inwiefern die Senkung der Kaiserschnittraten ein relevantes Ziel für das deutsche Gesundheitssystem ist und ob entsprechende Strategien entwickelt werden sollten.