Gesundheitswesen 2005; 67 - V15
DOI: 10.1055/s-2005-920509

Demographische Entwicklung von Menschen mit Behinderung

E Driller 1, H Pfaff 1
  • 1Zentrum für Versorgungsforschung, Medizinische Fakultät der Universität Köln
  • 2Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene, Universität zu Köln

Ziel der Untersuchung/d. Vorhabens: Die soziodemographische Struktur von behinderten Menschen rückt aufgrund tiefgreifender demographischer Entwicklungen und Veränderungen in Deutschland mehr und mehr in den Fokus wissenschaftlicher Betrachtungen. Trotz der Brisanz dieses Themas existieren derzeit jedoch nur vereinzelte empirische Daten über die soziodemographische Struktur von Menschen mit Behinderung. Hier setzt die nachfolgend skizzierte Studie an. Material und Methoden: Verfügbare Datenquellen über Menschen mit Behinderungen werden mit sekundäranalytischen Methoden bewertet, um Aussagen über die derzeitige Alters- und Geschlechtsstruktur der Betroffen sowie über Art und Ursache von Behinderung treffen zu können. Ergebnisse: Vor allem Menschen mit angeborener oder früh erworbener Behinderung zeigen hinsichtlich ihrer Kompetenzprofile, ihrer finanziellen Ressourcen und ihrer familialen Beziehungen eine große Differenz zu Menschen mit spät erworbener Behinderung. Menschen mit lebenslanger Behinderung verfügen im Durchschnitt über sehr wenig Geld, haben häufig keine eigenen Kinder und leben ab dem 18. Lebensjahr in den Einrichtungen der Behindertenhilfe. Menschen mit spät erworbener Behinderung entsprechen dagegen eher der Durchschnittsbevölkerung. Es scheint fast „normal“ zu sein, im Alter eine Behinderung aufzuweisen: Von den über 65-Jährigen besitzt jeder Vierte einen Schwerbehindertenausweis, bei den über 75-Jährigen bereits jeder Dritte. Diskussion: Die in dieser Arbeit zusammengetragenen Ergebnisse liefern ein umfassendes Bild über die demographische Struktur der von Behinderung Betroffenen und beleuchten zudem die Lebenssituation in den Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe. Ferner werden die dargestellten Ergebnisse hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Versorgungs- und Unterstützungsstruktur der Behindertenhilfe diskutiert. Abschließend erfolgt eine Bewertung der empirischen Datenlage über behinderte Menschen in Deutschland. Am Beispiel der amtlichen Schwerbehindertenstatistik wird die Frage diskutiert, ob die amtliche Statistik für eine Analyse des Versorgungsbedarfs behinderter Menschen ausreicht und welche Veränderungsmaßnahmen zu einer Verbesserung der Datenqualität beitragen können. Schlussfolgerungen: Alles in allem ist die Datenlage zu den Menschen mit Behinderung in Deutschland mangelhaft. Es gibt nur sehr wenige Datenquellen, die repräsentative Ergebnisse für die deutsche Bevölkerung mit Behinderung liefern. Die wenigen Datenquellen gehen zu wenig auf die Behinderung ein oder weisen technische Mängel auf. Die Kooperation zwischen Wissenschaft und amtlicher Statistik sollte daher weiter intensiviert werden, um aussagekräftige Daten sowohl für politische Entscheidungen als auch für wissenschaftliche Fragestellungen zur Verfügung zu haben. Nur dann können drohende (Versorgungs-) Lücken rechtzeitig erkannt und vermieden werden.