Z Gastroenterol 2005; 43 - P444
DOI: 10.1055/s-2005-920231

Prävalenz von Kohlenhydratintoleranz und Diabetes mellitus bei Patienten nach Lebertransplantation–Möglicher Einfluss der Ernährung und der Pharmakotherapie

H Temur 1, M Müller 1, G Oehler 2
  • 1Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde der Christian Albrechts Universität, Kiel
  • 2Rehazentrum Mölln, Mölln

Einleitung: Seit der ersten Lebertransplantation (LTX) 1963 durch Starzl wurden die Operationstechniken und die Maßnahmen der Immunsuppression stetig verbessert. Allerdings treten nach einer LTX bei vielen Patienten verschiedene Nebenwirkungen auf. Eine dieser Nebenwirkungen ist der „Posttransplantations Diabetes“, dessen Prävalenz und mögliche Einflussfaktoren in dieser Studie untersucht wird.

Methoden: 100 konsekutive LTX-Patienten wurden im Rahmen eines Reha-Aufenthaltes hinsichtlich ihrer klinischen Daten, Medikation, Ernährung und ihrem Ernährungszustand untersucht. Für die Erfassung der Ernährungsgewohnheiten diente ein standardisierter Food-frequency Fragebogen, der bereits im Rahmen der EPIC-Studie validiert wurde. Neben der Energie- und KH-Aufnahme wurden der Glykämische Index und die Glykämische Last ermittelt. Der Ernährungszustand der Patienten wurde anhand der BMIs und der bioelektrischen Impedanzanalyse charakterisiert. Die diabetologische Diagnostik umfasste die Bestimmung der Nüchtern- und der 2 Stunden pp Plasma-Glucosewerte sowie den Fructosamin und HbA1c Spiegel im Blut. Für die Einteilung der Stoffwechselstörung wurden die aktuellen WHO-Kriterien verwendet.

Ergebnisse: Die Prävalenz des Diabetes bei LTX-Patienten lag bei 22%, die Hälfte dieser Patienten litten seit der LTX an Diabetes, während die anderen 50% bereits vor der LTX eine pathologische Glucosetoleranz zeigten. Die Prävalenz der Kohlenhydratintoleranz lag bei 36% Erstmanifestation. Die Ernährungsgewohnheiten und der Ernährungszustand der Patienten, sowie die Funktion des Transplantates hatten keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Inzidenz des Diabetes bei LTX-Patienten. Jedoch konnten das Alter der Patienten und vor allem die Cortisondosis als entscheidende Einflussgrößen identifiziert werden. Die immunsuppressiven Medikamente, Cyclosporin und Tacrolimus, haben scheinbar nur eine untergeordnete Rolle auf den Blutzuckerspiegel der LTX-Patienten.

Diskussion: Im Gegensatz zum Diabetes mellitus Typ II, bestand bei LTX-Patienten kein Zusammenhang zwischen dem BMI und dem Blutzuckerspiegel. Eine Reduktion der Cortisondosis sollte bei LTX-Patienten mit einer neu aufgetretenen Glucoseintoleranz der mögliche therapeutische Ansatz sein.

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Tab.2: Einteilung der Patienten nach ihren Blutzuckerwerten in % des Gesamtkollektivs

Normwerte nach WHO-Kriterien: nüchtern: <110mg/dl normal; 110-125mg/dl gestört; >125mg/dl diabetisch

Postprandial: <140mg/dl normal; 140-200mg/dl gestört; >200mg/dl diabetisch

Fructosamin: <285µmol/l normal; >285µmol/l diabetisch

HbA1c: 4,1-6,1% normal; >6,1% diabetisch

nüchtern n=100

pp n=98

FA n=92

HbA1c n=87

normal

76

41

71

77

gestört

6

36

x

x

diabetisch

18

22

21

10

pp=postprandial; FA=Fructosamin; HbA1c=glykosiliertes Hämoglobin; x=kein Wertebereich vorh

Keywords: Cyclosporin, Ernährungsverhalten, Ernährungszustand, Immunsuppressiva, Lebertransplantation, Posttransplantations-Diabetes, Tacrolimus