Fragestellung: Schwindel zählt zu den häufigsten Symptomen von Hirnstamminfarkten. Dabei berichten
Patienten eine Reihe verschiedener Symptome. Neben einem Drehen oder Schwanken werden
auch weniger präzise Angaben gemacht wie z.B. „gehen wie auf Wolken“, „wie betrunken“,
„benommen“, „doll im Kopf“, „als wenn ich gleich in Ohnmacht fallen würde“, oder „als
wenn zu wenig Blut im Kopf ist“. In der klinischen Literatur ist meist nur von „vertigo“
und „dizziness“ die Rede. Es ist nicht bekannt, welche Art von Schwindel in welcher
Häufigkeit bei verschieden lokalisierten Hirnstamminfarkten auftritt.
Methoden: Wir untersuchten eine Gruppe von 151 aufeinander folgenden Patienten mit akuten
einseitigen Hirnstamminfarkten. Dabei unterschieden wir Drehschwindel (=fehlerhafte
Wahrnehmung einer Drehung des Betroffenen oder der Umgebung), Schwankschwindel (=fehlerhafte
Wahrnehmung eines Schwankens des Betroffenen), und ungerichteten Schwindel (=Patienten,
deren Schwindelgefühl weder einem Dreh- noch einem Schwankschwindel entsprach). Die
Häufigkeiten dieser unterschiedlichen Schwindelsensationen wurden für die verschiedenen
Lokalisationen von Hirnstamminfarkten (medullär, ponto-medullär, pontin, ponto-mesenzephal,
mesenzephal) ermittelt und miteinander verglichen.
Ergebnisse: Patienten mit medullären und ponto-medullären Hirnstamminfarkten klagten signifikant
häufiger über Schwindel als Patienten mit pontinen, ponto-mesenzephalen und mesenzephalen
Infarkten (40 von 49 versus 55 von 102 Patienten; x2: 10,894, p<0,001). Dieser Unterschied kommt allein durch das signifikant häufigere
Auftreten von Drehschwindel bei medullären/ponto-medullären Infarkten zustande (12
von 49 versus 10 von 102 Patienten; x2: 5,735, p<0,05). Dagegen besteht bezüglich der Häufigkeit des Auftretens von Schwankschwindel
und ungerichtetem Schwindel kein relevanter Unterschied zwischen den verschiedenen
Hirnstammregionen.
Schlussfolgerungen: Schwindel, insbesondere Drehschwindel, tritt signifikant häufiger bei Patienten
mit medullären und ponto-medullären Hirnstamminfarkten auf. Dies ist am wahrscheinlichsten
Ausdruck einer Schädigung des Vestibulariskerns und/oder der hier im Hirnstamm verlaufenden
Abschnitte des N. vestibularis.