Zusammenfassung
Der ungewöhnlich frühe Tod des Komponisten und Leipziger Gewandhauskapellmeisters
Felix Mendelssohn Bartholdy mit kaum 38 Jahren hat seit jeher viele Rätsel aufgegeben.
Nach drei, von den zeitgenössischen Ärzten als „Nervenschlag” diagnostizierten Ereignissen
war Mendelssohn am 4. November 1847 plötzlich verstorben. Der Aufsatz präsentiert
nach einer kurzen Einführung in die Pathografie Mendelssohns hier erstmals alle wesentlichen
zeitgenössischen Überlieferungen, die über die Todesumstände Auskunft geben. Dieses
Gesamtkorpus kann nun nach einem knappen Rückblick auf die bereits vorliegenden älteren
Interpretationen unter heutigem neurologisch-psychiatrischen Blickwinkel befragt werden.
Als problematisch stellt sich dabei heraus, dass die Berichte lediglich von medizinischen
Laien stammen, sodass bei der Bewertung der persönliche Eindruck eine ganz wesentliche
Rolle spielt. Unstrittig ist die Todesursache jedoch in einem pathologischen Hirnprozess
zu suchen. Nach abwägender Prüfung der Quellen könnte eine Subarachnoidalblutung (SAB)
zum Tode geführt haben. Dafür spräche auch eine wahrscheinliche erbliche Belastung,
da jegliche Erwägungen zu Mendelssohns Tod ebenso auf seine im Alter von 42 Jahren
plötzlich mit ähnlichen Symptomen verstorbene Schwester Fanny zutreffen.
Abstract
Composer and director of music at Leipzig's Gewandhaus Felix Mendelssohn Bartholdy
died remarkably young, on 4 November 1847, at the age of 38. The cause of his early
death has been a mystery ever since. Three contemporary doctors diagnosed Nervenschlag
(“nervous stroke”). Starting with a short outline of Mendelssohn's pathography, this
paper includes and quotes for the first time all the contemporary accounts of his
death. After considering the older medical interpretations, the paper considers these
reports from the point of view of present-day neurological and psychiatric expertise.
It reveals that all the accounts had been filed by medical laymen, so their personal
impressions had played a major role in their reports. However, it is indisputable
that it was pathologic brain alterations that lead to Mendelssohn's death. Weighing
up and carefully considering the sources, the authors regard subarachnoidal hemorrhage
(SAH) as a likely cause of death. There may even have been some kind of genetic predisposition,
since what is reported in this paper regarding Mendelssohn's death also applies to
the very similar symptoms and circumstances surrounding his sister Fanny's death.
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1 Er war für seine Zeit ausgesprochen sportlich: Schon als Kind turnte er an einem
eigens dafür eingerichteten Gerüst im Hof seines Elternhauses. Er galt zeitlebens
als ausgezeichneter Reiter, ausdauernder Schwimmer und unternahm bis zu seinem Tod
anstrengende und ausgedehnte Wanderungen.
2 Darauf rekurrierend auch Reissmann ([10], S. 294): „Nach der Ansicht seines Arztes ist es nicht unmöglich, dass durch die
heftige Gemüthsbewegung, welche ihm die Trauernachricht bereitete, ein Blutgefäß im
Gehirn riss, und dass durch das ausströmende Blut sein früher Tod herbeigeführt wurde.”
PD Dr. rer. medic. Holger Steinberg
Archiv für Leipziger Psychiatriegeschichte · Klinik und Poliklinik für Psychiatrie
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