Pneumologie 2006; 60(1): 11-28
DOI: 10.1055/s-2005-919091
Fort- und Weiterbildung
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

COPD-Exazerbation

CME: Acute Exacerbation of COPDR.  Bals1 , H.  F.  Becker1 , U.  Wagner1, 2 , C.  Vogelmeier1
  • 1Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie, Universitätsklinikum Giessen und Marburg, Standort Marburg, Marburg
  • 2Johanniter-Krankenhaus, Fachklinik für Pneumologie, Treuenbrietzen
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Publication Date:
23 January 2006 (online)

1. Pathogenese

Die häufigsten Ursachen der Exazerbation sind virale und/oder bakterielle Infektionen der Atemwege. Dennoch kann die Ursache von etwa einem Drittel der Exazerbationen letztlich nicht identifiziert werden. Definiert wird die Exazerbation im Allgemeinen als eine akut beginnende und längere Zeit anhaltende Verschlechterung der respiratorischen Symptomatik, die eine über die tägliche Basistherapie hinausgehende Behandlung erfordert. Diese Problematik ist aber von verschiedenen Autoren verschieden interpretiert worden. So sehen einige Autoren schon bei Notwendigkeit der Dosissteigerung der inhalativen Bronchodilatatoren eine Exazerbation, während andere eine Notarztbehandlung oder die Notwendigkeit einer stationären Therapie als Kriterien fordern [1] [2]. Daneben gibt es auch Definitionen, die rein symptombasiert sind. Eine allgemeinverbindliche Definition liegt nicht vor.

COPD-Exazerbationen sind mit einer Zunahme der Entzündung der Atemwege verbunden. Akute Exazerbationen der COPD gehen mit einer signifikanten Erhöhung der Neutrophilen-Zahl in der BAL einher. Die Neutrophilen sezernieren verschiedenen Proteinasen wie neutrophile Elastase (NE), neutrophiles Cathepsin G und neutrophile Proteinase 3, die alle an der Parenchymdestruktion und Mucus-Hypersekretion mitwirken. Während Exazerbationen wurden auch erhöhte Eosinophilen-Zahlen beobachtet. Diese Anstiege resultieren entweder aus der Attraktion von Entzündungszellen, einem längeren Überleben und/oder einer Aktivierung derselben.

Die Pathogenese der COPD-Exazerbation ist noch weitgehend unklar.

1.1 Respiratorische Insuffizienz

Die respiratorische Insuffizienz bei exazerbierter COPD entwickelt sich als Folge des Ungleichgewichts zwischen Kapazität und Last der Atemmuskulatur.

Die respiratorische Insuffizienz entsteht beim Ungleichgewicht zwischen Kapazität und Last der Atemmuskulatur.

Eine gesteigerte Atemarbeit und somit erhöhte Last ergibt sich aus der bronchialen Obstruktion, der Schleimhautschwellung und einer vermehrten Schleimbildung in den Atemwegen. Weiterhin ist der exspiratorische Luftfluss vermindert, so dass sich ein intrinsischer PEEP (positive end-exspiratory pressure) von bis zu 20 cm H2O entwickelt. Während der Inspiration muss der Patient zunächst diesen intrinsischen PEEP überwinden, bevor ein Luftfluss in die Lunge stattfinden kann. Dies bedeutet eine weitere massive Zunahme der Atemarbeit (Abb. [1]). Durch die Überblähung atmet der Patient im oberen Bereich der Druck-Volumen Kurve und muss somit bei gleichem Atemzugvolumen eine gesteigerte Atemarbeit aufbringen (Abb. [2]). Das schon bei stabiler COPD bestehende Ventilations-/Perfusions-Ungleichgewicht nimmt während der Exazerbation zu, was die Hypoxie und Hyperkapnie verursacht bzw. weiter verstärkt.

Obstruktion, Überblähung, intrinsischer PEEP sowie Ventilations-/Perfusions-Ungleichgewicht steigern die Atemarbeit.

Abb. 1 Auswirkungen von intrinsischem PEEP (PEEPi) auf die Atemarbeit. Dargestellt sind der Luftfluss (Flow) und der transdiaphragmale Druck (Pdi), der sich aus Magendruck minus Ösophagusdruck berechnet. Die Inspiration beginnt beim Gesunden, sobald der Pdi positiv wird. Im dargestellten Fall eines Patienten mit COPD liegt jedoch ein PEEPi vor: der Patient beginnt mit der Inspiration (die erste vertikale Linie zeigt den Beginn der Inspiration an), obwohl die Exspiration noch nicht abgeschlossen ist (noch vorhandener exspiratorischer Luftfluss am Beginn der Inspiration). Der Patient muss zunächst einen Unterdruck aufbauen, der dem PEEPi entspricht, bevor der inspiratorische Luftfluss beginnt. Die schraffierte Fläche stellt die Atemarbeit dar, die zur Überwindung des PEEPi aufgewendet werden muss. Abb. 2 Effekt der Überblähung auf die Atemarbeit. Der Gesunde atmet im steilen Bereich der Druck-Volumen Kurve. Es ist nur eine geringe Druckänderung (ΔP) nötig, um das Atemzugvolumen zu erreichen. Um das gleiche Atemzugvolumen zu erreichen, muss der Patient mit Lungenüberblähung, der im oberen Bereich der Druck-Volumen Kurve atmet, wesentlich mehr Druck (ΔP) aufbringen. Die Atemarbeit ist in diesem Fall deutlich größer (schraffierte Fläche).

Die Kapazität des Atempumpapparats ist in der Exazerbation vermindert. Die Überblähung lässt das Zwerchfell tiefer treten, so dass die Vorspannung abnimmt und eine mechanische Behinderung der Zwerchfellfunktion entsteht. Hypoxie und Hyperkapnie behindern die Kontraktilität des Diaphragmas. Somit liegt in der Exazerbation die Situation vor, dass sich auf die im Rahmen der COPD schon bestehenden Funktionsstörungen eine massive Steigerung der Atemarbeit bei gleichzeitig deutlich verminderter Kapazität der Atemmuskulatur aufpfropft. Die sich daraus ergebende Hypoventilation manifestiert sich in der Blutgasanalyse als hyperkapnisches Atmungsversagen.

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Prof. Dr. Heinrich F. Becker

Philipps-Universität MarburgKlinik für Innere Medizin, SP PneumologieSchlafmedizinisches Labor

35033 Marburg

Email: hf.becker@mailer.uni-marburg.de

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