Endoskopie heute 2005; 18(4): 205-206
DOI: 10.1055/s-2005-918214
Begutachtung & Schlichtung

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Fehlende (fragliche) Indikation - weitreichende Folgen

Missing (Questionable) Indication - Extensive ConsequencesH. Gießler1 , W. Rösch1
  • 1Gutachter- und Schlichtungsstelle bei der Landesärztekammer Hessen, Frankfurt am Main
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Publication Date:
02 January 2006 (online)

Der 57-jährige, 117 kg schwere Patient mit bekanntem Schlaf-Apnoe-Syndrom suchte wegen seit 9 Monaten bestehender anfallsweise auftretender Schmerzen im Oberbauch mit Ausstrahlung in den Rücken ein gastroenterologisches Institut auf. Die Beschwerden seien fast ausschließlich abends und nachts aufgetreten, von krampfartiger Natur und mit Übelkeit und Erbrechen verbunden. Besserung der Symptomatik nach Buscopan. Anlässlich eines stationären Aufenthaltes in einer Klinik war vor 6 Monaten eine H.p.-positive erosive Pangastritis diagnostiziert worden. Sonographisch und mittels MRCP habe sich kein Hinweis auf ein Gallensteinleiden ergeben.

Sämtliche Laborwerte einschließlich Leukozyten, CRP, GOT, GPT, GGT, alkalische Phosphatase und Bilirubin lagen im Normbereich. Bei der Ultraschalluntersuchung der Gallenblase fand sich intraluminal echogenes Material mit dorsaler Schallverstärkung, der Gallengang war mit 10 mm im oberen Normbereich, bei einer Kontrolle 1 Woche später 8 mm weit. Hinweise auf ein intraductales Konkrement fanden sich nicht.

Es wurde die Indikation zu einer ERCP gestellt, die unter Propofol mit Blutdruck-, peripherem Sauerstoffsättigung- und EKG-Monitoring durchgeführt wurde. Während der Sondierung der Papilla Vateri kam es zu einem Abfall der peripheren Sauerstoffsättigung auf 30-35 %, so dass die Untersuchung abgebrochen wurde. Auf Gabe von 12 l O2 kein Anstieg der Sauerstoffsättigung, daraufhin Einlage eines Guedel-Tubus und assistierte Beatmung per Ambu-Beutel. Darunter kam es zu einer raschen Normalisierung der peripheren Sauerstoffsättigung auf Werte von > 95 %. Trotz Spontanatmung und adäquat reagierenden Pupillen wachte der Patient nicht auf, stattdessen traten Streckkrämpfe an beiden oberen Extremitäten auf. Deshalb wurde bei eingeschränkten Schutzreflexen und zum Ausschluss einer Aspiration eine bronchoskopische endonasale Intubation durchgeführt. Eine CCT-Untersuchung ergab keine Hinweise auf eine frische Blutung oder Ischämiezeichen, der Patient konnte am 3. Tag extubiert und nach einigen Tagen entlassen werden. Zurückgeblieben ist eine Sensibilitätsstörung im Bereich der Zungenspitze, die 3 Monate anhielt, sowie eine Gefühlstaubheit der Zehen beidseits.

Die Indikation für eine ERCP sei nicht nur aus diagnostischen, sondern auch aus therapeutischen Gründen gestellt worden, da die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten eine relative Indikation bei einem weiten Choledochus sehen und ein therapeutisches Splitting, nämlich zunächst Sanierung der Gallenwege und anschließende Cholezystektomie ein gängiges Prozedere darstelle. Zwar habe die MRCP, die 6 Monate zuvor bei dem Patienten durchgeführt worden war, einen unauffälligen Choledochus gezeigt, doch sei damals auch die jetzt eindeutig dokumentierte Cholezystolithiasis nicht festgestellt worden. Dem Patienten war geraten worden, die Gallensteine in seinem Heimatkrankenhaus operativ entfernen zu lassen.

Dr. H. Gießler

Gutachter- und Schlichtungsstelle bei der Landesärztekammer Hessen

Im Vogelsgesang 3

60488 Frankfurt

Phone: 0 69/97 67 21 61

Fax: 0 69/97 67 21 78

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