Viszeralchirurgie 2005; 40(6): 425-426
DOI: 10.1055/s-2005-918168
Das viszeralchirurgische Prüfungsgespräch

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Analabszess und Analfisteln

Anal Abscess and Anal FistulaA. Herold1
  • 1Enddarm-Zentrum Mannheim
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Publication Date:
14 December 2005 (online)

Frage 1: Was sind die typischen Symptome eines Analabszesses bzw. von Analfisteln?

Führendes Symptom beim Abszess ist eine schmerzhafte Schwellung mit rascher Entwicklung. Dagegen zeigt eine Analfistel eine eher langsame Entwicklung; wenig schmerzhafte, lokale Induration sowie eine persistierende Sekretion. Da beide Krankheitsbilder eng miteinander verbunden sind, können sie konsekutiv ineinander übergehen. Man spricht daher auch beim Abszess von der akuten, bei der Fistel von der chronischen Form analer entzündlicher Prozesse.

Frage 2: Wie lassen sich Abszesse bzw. Fisteln einteilen?

Da der Bezug zum Analsphinkter auch für die spätere Therapie von entscheidender Bedeutung ist, wird in der Regel eine Einteilung verwendet, die dieses berücksichtigt:

Beim Abszess unterscheidet man subkutan bzw. subanodermal, intersphinkter, ischiorektal und pelvirektal. Bei den Fisteln unterscheidet man subanodermal, intersphinkter, transsphinkter, suprasphinkter und extrasphinktere Formen.

Frage 3: Welche Diagnostik ist erforderlich?

Sowohl beim Abszess als auch bei der Fistel steht im Vordergrund die klinische Untersuchung. Bereits die Anamnese gibt einen Hinweis auf die Erkrankung (siehe Frage 1). Mit Hilfe von Inspektion und Palpation sowie Anoskopie und Proktoskopie lassen sich die Mehrzahl der Abszesse und Fisteln sicher diagnostizieren. Nur bei sehr tief liegenden Abszessen, die auch durch subtile Palpation nicht zu eruieren sind, kann in wenigen Einzelfällen eine Endosonographie bzw. MRT/CT-Untersuchung indiziert sein.

In der Regel ist bei Fisteln das äußere Ostium problemlos zu finden, jedoch der gesamte Fistelverlauf manchmal nur schwer einzustellen. Hier sollte in keinem Fall eine forcierte Sondierung durchgeführt werden, sondern im Zweifel dies mittels einer Untersuchung in Narkose geklärt und direkt eine operative Versorgung angeschlossen werden. Da ja die überwiegende Mehrzahl der Abszesse auf Fisteln zurückzuführen sind, sollte bereits bei der operativen Versorgung des Abszesses nach einer Fistel gefahndet werden, jedoch mit größter Vorsicht, um nicht im ödematös veränderten Gewebe eine via falsa zu produzieren.

Frage 4: Wann und wie ist ein anorektaler Abszess zu therapieren?

Ein anorektaler Abszess ist grundsätzlich unverzüglich nach Diagnosestellung zu eröffnen und ausreichend zu drainieren. Da immer die Gefahr einer entzündlichen Progression bis hin zur schweren Sepsis drohen kann, ist ein zeitlicher Aufschub kontraindiziert. Eine breite, ausreichend tiefe, trichterförmige Eröffnung mit anschließender Sekundärheilung ist als die Regelversorgung anzusehen. Kleine Inzisionen führen dagegen zwar zu vorübergehender Entlastung, münden jedoch meist relativ rasch in einem Abszess-Rezidiv. Ist eine adäquate umgehende Abszesstherapie nicht möglich (z. B. aus logistischen Gründen), so kann eine kleine Inzision vorübergehende Entlastung erreichen. Der Notfall wird so in eine früh-elektive Versorgung überführt. Jedoch muss dann innerhalb weniger Tage die definitive Versorgung durchgeführt werden.

Handelt es sich um einen kleinen perianalen Abszess, kann die lokale Exzision auch in Lokalanästhesie in der Ambulanz oder in der Praxis ambulant erfolgen.

Eine konservative Therapie mit Lokaltherapeutika bzw. eine antibiotische Therapie ist in keinem Fall als alleinige, adäquate Behandlung eines Analabszesses anzusehen. Eine Antibiose kann beim immunsupprimierten Patienten oder bei bereits systemischer septischer Begleitreaktion sowie ausgedehnter, begleitender Weichteilphlegmone zusätzlich zur chirurgischen Therapie erforderlich sein.

Frage 5: Welche Therapieoptionen stehen in der Behandlung transsphinkterer Fisteln zur Verfügung?

Subanodermale, intersphinktere und distal transsphinktere Fisteln sind in der Regel durch eine Fistulotomie bzw. Fistulektomie zu behandeln. Da in diesen Fällen keine bzw. vernachlässigbare Anteile der Sphinktermuskulatur beteiligt sind, ist eine komplette Spaltung ohne Gefährdung der Kontinenz möglich. Aufgrund der kompletten Exzision zeichnet sich diese Therapie durch eine hohe Heilungsrate mit niedriger Rezidivrate aus.

Dagegen sind proximal transsphinktere, subprasphinktere und extrasphinktere Fisteln nicht mittels kompletter Spaltung zu therapieren, da dies hier aufgrund der Beteiligung größerer Sphinkteranteile nicht ohne Kontinenzeinbußen durchgeführt werden könnte.

Als Therapie erster Wahl steht für diese Fistelverläufe dann ein plastischer Fistelverschluss zur Verfügung. Hierzu wird nach kompletter Exstirpation des Fistelgangs, insbesondere der kryptoglandulären Region, eine direkte Naht der Sphinktermuskulatur durchgeführt und diese mit einem U-förmigen Verschiebeläppchen aus Mukosa oder Mukosa/Submukosa zusätzlich gedeckt, somit die innere Fistelöffnung durch zwei kulissenartig verschobene Nahtreihen verschlossen. Dieses sphinkterschonende Vorgehen hat somit den Vorteil niedriger Inkontinenzraten, erkauft durch eine 10-30 %ige Rate an persistierenden bzw. rezidivierenden Fisteln.

Frage 6: Welche weiteren Therapie-Alternativen sind bei hohen transsphinkteren Fisteln möglich?

Neben dem in Frage 5 erwähnten plastischen Fistelverschluss kommt als Alternative eine komplette Fistelspaltung mit primärer Muskelrekonstruktion bzw. eine komplette Fistelspaltung und in zweiter Sitzung eine sekundäre Muskelrekonstruktion in Betracht. Als weitere Alternative steht ein Langzeitfadendrainage zur Verfügung, sowie in ausgewählten Einzelfällen eine Fibrinklebung. Speziell bei Crohn-Fisteln ist die Langzeitfadendrainage eine chirurgische Option, die für den Patienten subjektiv sehr akzeptabel ist und eine Proktektomie mit Stomaanlage über mehrere Jahre hinauszögern kann. Gemeinsam mit einer konservativen Crohntherapie sind hierdurch die lokalen Entzündungsreaktionen deutlich zu verbessern und langfristig zu kontrollieren. Dagegen ist die Fadendrainage nach Hippokrates (langsame Durchtrennung des Sphinkters durch den straff geknoteten Faden) wegen starker Schmerzen während der langwierigen Behandlung und der sehr hohen Inkontinenzrate heute obsolet.

Frage 7: Welchen Stellenwert haben konservative Therapien in Bezug auf eine Fistelheilung?

Sämtliche konservative Therapiemöglichkeiten (Metronizadol, Ciproflaxin, Infliximab) haben keinen Stellenwert in Bezug auf eine definitive Fistelheilung. Die in der Literatur beschriebenen Therapieerfolge beruhen in der Regel nur auf einem vorübergehenden Fistelverschluss bei im subkutanen bzw. muskulären Bereich persistierenden Fistelgängen. Insbesondere beim Morbus Crohn lässt sich mit den konservativen Therapien jedoch eine akute Inflammation sehr positiv beeinflussen, somit die Symptomatik entscheidend reduzieren, jedoch keine Heilung der Fistel herbeiführen.

Frage 8: Welche Besonderheiten zeigt ein intersphinkterer Abszess?

Der Patient berichtet über sehr rasch auftretende, heftigste Schmerzen im Analbereich. Bei der Inspektion findet sich ein völlig unauffälliger After. Wegen der starken Schmerzen ist eine Palpation kaum möglich, sie gibt allenfalls einen Hinweis auf den betroffenen Sektor, am häufigsten bei 6 Uhr Steinschnittlage. Die Untersuchung in Narkose zeigt dann eine diskrete Schwellung des distalen Anoderms sowie eine umschriebene Induration des distalen Sphinkterbereichs. Die bimanuelle Palpation findet einen bis zu haselnussgroßen „weichen” Tumor. Mit einer kleinen rechtwinkligen Hakensonde findet man immer ein inneres Fistelostium an der Linea dentata im betroffenen Analsektor. Oft ist die Öffnung mit einer dünnen Epithelschicht verschlossen, die bei geringem Druck mit der Sonde perforiert und der Eiter sich entleert. Die suffiziente Therapie besteht in der kompletten Abdeckelung der Fistel- und Abszesshöhle unter Mitnahme der distalen Anteile der M. sphinkter und internus.

Frage 9: Welche Differenzialdiagnosen sind für die typischen kryptoglandulären Fisteln relevant?

An erster Stelle sind insbesondere beim rezidivierenden Fistelleiden entzündliche Läsionen im Rahmen eines M. Crohn zu nennen. Zusätzliche Hautläsionen inguinal, submammär und axillär lenken den Verdacht auf eine Akne inversa (im Englischen falsch oft als Hidradentitis suppurativa angesprochen). Da es sich um eine abszedierende Entzündung der Talgdrüsen handelt, liegt eine reine Hauterkrankung ohne Fistelverbindung zum Anus oder Rektum vor. Selten kann auch ein Sinus pilonidalis sich bis nach anal ausdehnen. Extrem selten kann eine Fistel Ausdruck einer gastrointestinalen Tuberkulose oder auch einer Aktinomykose sein.

Frage 10: Fallbeispiel: Bei der Primärtherapie mittels Exzision eines ausgedehnten Ischiorektal-Abszesses findet sich eine transspinktere Fistel, die zwei Drittel des Schließmuskels umfasst. Welche Therapiestrategie ist hier einzuschlagen?

Aufgrund der akuten Inflammation ist zunächst nur der Abszess ausreichend gut zu drainieren, um die Fistel mit einer Fadendrainage zu versorgen (sehr vorteilhaft sind hier Vessel-Loops als Gummifadenringe zu verwenden). Diese Versorgung bietet eine optimale Drainage und somit Stabilisierung der Akutsituation, um dann in der Regel nach kompletter Konsolidierung der lokalen Situation (meist nach 2-3 Monaten) diese Fistel mittels eines plastischen Fistelverschlusses zu verschließen. Dieses zweizeitige Vorgehen bietet sowohl inbezug auf die Heilung als auch auf Kontinenzerhalt die besten Therapieergebnisse.

Prof. Dr. med. Alexander Herold

Enddarm-Zentrum Mannheim

Bismarckplatz 1

68165 Mannheim

Email: mail@enddarm-zentrum.de

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