Fortschr Neurol Psychiatr 2005; 73 - A4
DOI: 10.1055/s-2005-918090

Geschlechtsunterschiede bei der Depression: Wie sind sie zu bewerten?

G Stoppe 1
  • 1Psychiatrische Universitätsklinik Basel

Frauen erkranken ca. doppelt so häufig an Depressionen wie Männer. Die höheren Raten an Depressionen zeigen sich durchgängig in Gemeinde- und Behandlungsstudien sowie unterschiedlichen kulturellen Settings. Allerdings zeigen sich diese Unterschiede nicht gleichmässig über alle Unterformen der Depressionen hinweg. Gleichzeitig ist eine der wesentlichen Folgen der Depression, nämlich der vollzogene Suizid bei Männern etwa dreimal häufiger als bei Frauen. Bei der Frage nach den Unterschieden und damit Erklärungsansätzen werden biologische (hormonelle, genetische), methodische und kulturelle bzw. psychosoziale Faktoren diskutiert. So gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen Berufsrolle und psychischer Gesundheit, allerdings einen negativen zwischen Doppel- und Mehrfachbelastung und psychischer Gesundheit. Zudem scheinen Männer ein geringeres Körperbewusstsein und eine höhere Symptomtoleranz zu haben, was auch ein anderes Hilfesuchverhalten mit sich bringt. Am plausibelsten erscheinen im Augenblick Erklärungsansätze, die auf den gesellschaftlichen Kontext fokussieren sowie solche, die die möglicherweise ebenfalls entlang eines Rollenstereotyps formulierten diagnostischen Kriteriums für eine Depression zum Inhalt machen. Möglicherweise wird aber – analog zum Entstehungsmodell – auch bei der Erklärung der Geschlechtsunterschiede ein biopsychosoziales Modell hilfreich sein.