Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2005; 15 - A52
DOI: 10.1055/s-2005-917910

Critical-illness-Enzephalo- und -Polyneuropathie – zunehmendes Behandlungserfordernis der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation

G Rösl 1, D Steube 1
  • 1Neurologische Klinik Bad Neustadt/Saale, Bad Neustadt/Saale

Fragestellung: In letzter Zeit findet sich eine deutliche Zunahme der Patienten mit schweren psychologischen und neuromuskulären Funktionsstörungen im Rahmen einer Critical-illness-Enzephalo- und -Polyneuropathie (1–4). Es ergibt sich die Fragestellung, ob das Setting der neurologisch-neurochirurgisch-frührehabilitativen Behandlung adaptiert werden muss.

Methode: In einer prospektiven Fünf-Jahres-Studie von Juli 1999 bis Juni 2004 wurden die Patienten einer frührehabilitativen Abteilung hinsichtlich dieses Patientenklientels erfasst. Beurteilt wurden neben den neurophysiologischen Ausfällen die intensivmedizinische Behandlungsnotwendigkeit und -dauer, die Disability, gemessen mit dem Barthel-Index und dem FIM, sowie das Handicap, beurteilt nach der 8-stufigen Glasgow-Outcome-Scale, zu Behandlungsbeginn und -ende.

Ergebnis: Bei 53 Patienten (22 Frauen, 31 Männer) zeigte sich eine Gesamtverweildauer von 51 (4–188) Tagen. Die Zeitspanne von Erkrankungsbeginn bis zur Aufnahme in die Frührehabilitation betrug durchschnittlich 75 Tage (13–187). 19 Patienten mussten intensivmedizinisch betreut werden, wobei die durchschnittliche Verweildauer hier 34 (5–150) Tage betrug. Bei 15 Patienten war eine Beatmungsnotwendigkeit gegeben. Im Bereich der Fähigkeitsstörungen ergab sich mit dem Barthel-Index eine Verbesserung von 5 auf 30 und mit dem FIM von 30 auf 57 Punkte. Im Handicap-Bereich war der Zuwachs moderat, 3 auf 3,25. 15 Patienten konnten in eine weiterführende Rehabilitation verlegt werden. 17 wurden nach Hause entlassen. 4 Patienten mussten in eine Pflegeeinrichtung entlassen werden, wobei 3 dauerbeatmet waren. Bei 10 Patienten war eine Rückverlegung in die Akutklinik notwendig. 7 Patienten verstarben.

Diskussion: Die frührehabilitative Behandlung erfordert im intensivmedizinischen Bereich eine Erweiterung bekannter Therapiemethoden. Dies gilt für den Aufbau eines spezifischen Weaning-Systems ebenso wie für den möglichen Einsatz spezifischer, die Vigilität und die Atemfunktion beeinflussender Pharmaka. Spezifische Formen des Ernährungsregimes sowie Adaptationen physiotherapeutischer Maßnahmen werden zur Diskussion gestellt. Differenzialdiagnostische Überlegungen erfordern ein abgestimmtes Diagnoseregime.

Literatur:

1 Bolton CF. Sepsis and the systemic inflammatory response syndrome: neuro-muscular manifestations. Crit Care Med 1996; 55: 1408–1416

2 Prange H, Bitsch A. Neurologische Intensivmedizin. Georg Theime Verlag 2004, Seite 193–196

3 Schwab S, Rieger D, Müllges W, Hamann G, Hacke W. Neurologische Intensivmedizin. Springer Verlag 1999, Seite 700–704

4 Van der Schaaf M, Beelen A, de Vos R. Functional outcome in patients with critical illness polyneuropathy. Disabil Rehabil 2004; 26 (20): 1189–1197