Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2005; 15 - A27
DOI: 10.1055/s-2005-917885

Veränderungen im Verlegungsverhalten von Akut nach Reha

R Kaluscha 1, A Leitner 1, E Jacobi 1
  • 1Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm, Bad Wurzach

Fragestellung: Durch die Einführung der Fallpauschalen gemäß DRGs in den Akuthäusern [BGBl 2002] werden für diese wirtschaftliche Anreize geschaffen, frühzeitiger in die Rehaklinik zu verlegen. Daher wird seitens der Rehakliniken befürchtet, dass auf sie vermehrt Patienten zukommen, die noch erhöhten Behandlungs- und Pflegebedarf haben und somit Lasten von der Akutversorgung in die Rehabilitation verschoben werden.

Es wäre also zu prüfen, ob sich bei Anschlussheilbehandlungen der zeitliche Abstand zwischen der Operation (z.B. Hüft-TEP) im Akuthaus und der Aufnahme in die Rehaklinik mit Einführung der Fallpauschalen zum Jahresbeginn 2004 verändert hat.

Methode: Während das Aufnahmedatum i.d.R. im jeweiligen Klinikinformationssystem als separate Angabe vorliegt, wurde das Operationsdatum von den Rehakliniken i.d.R. nicht in strukturierter Form erhoben, da in den vergangenen Jahren die Bedeutung dieser Information nicht vorherzusehen war. Häufig wird aber das Operationsdatum im Freitext des Entlassungsberichtes mitdiktiert, z.B. “Zustand nach Implantation einer zementierten Hüft-TEP links vom 06.12.01 wegen fortgeschrittener Coxarthrose“. Um aufwändige manuelle Recherchen zu ersparen, wurde das Operationsdatum mit Methoden der Computerlinguistik bzw. Informationsextraktion aus den Entlassungsberichten EDV-gestützt ermittelt [Kaluscha 2005]. Wesentliches Hilfsmittel war dabei ein regulärer Ausdruck [GNU 2003] der Form „[0–3]?[0–9].[0–1]?[0–9].(19|20)?[0–9][0–9]“, der deutsche Datumsangaben mit ein- oder zweistelligen Tages- und Monatsangaben sowie mit zwei- oder vierstelliger Jahreszahl beschreibt. Es zeigte sich nämlich, dass sich bei Operierten i.d.R. im Abschnitt „Einleitung / Zusammenfassung“ das Operationsdatum in dieser Form findet. Bei mehreren Datumsangaben im Text wird das zeitlich letzte Datum als Operationsdatum gewertet. Diese Heuristik liefert auch bei mehreren Eingriffen (Revisionen o.ä.) oder bei Angabe eines Unfalldatums das korrekte Ergebnis: „... Reosteosynthese am 05.01.2000 einer Oberarmtrümmerfraktur im proximalen Drittel vom 29.12.1999 wegen Lockerung der Erstosteosynthese ...“.

3.966 Entlassungsberichte von Operierten und Nicht-Operierten aus der Universitätsrehaklinik Bad Wurzach wurden so auf Operationsdaten überprüft. Davon konnte bei 2.389 Fällen ein Operationsdatum ermittelt werden. In einem zweiten Schritt wurden Fälle aus dem Jahr 2003 ausgeschlossen, da einige Zuweiser bereits in dem Jahr an DRG-Erprobungen teilnahmen und das Vorgehen in dieser Umstellungsphase somit uneinheitlich war. Als Referenzgruppe vor der Einführung der DRGs dienten somit die Fälle aus dem Zeitraum vom 01.01. 2000–31.12.2002. Mit diesen wurden die Fälle im Zeitraum 01.01.2004–31.03.2005 bezüglich des zeitlichen Abstandes des (letzten) Eingriffes im Akuthaus und der Aufnahme in die Rehaklinik verglichen. Zuweiser mit weniger als fünf Fällen vor bzw. nach Einführung der DRG wurden nicht berücksichtigt. Die so gewonnen Informationen zu 1.181 Fällen (davon 785 vor und 396 nach DRG-Einführung) von 15 Zuweisern wurden über entsprechende Datenbank-Views zur weiteren Auswertung in ein Statistikpaket (SAS V8.2) importiert.

Ergebnis: Dieses computergestützte Verfahren zur Ermittlung des Operationsdatums aus dem Freitext führt in Verbindung mit der beschriebenen Heuristik in einer Zufallsstichprobe von 200 Fällen (Operierte und Nicht-Operierte) lediglich zu 2 Fehlern und somit zu einer geschätzten Fehlerquote von 1% (95% CI 0,12%-3,57%). Damit kann davon ausgegangen werden, dass die so ermittelten Verlegungsdaten für die weiteren Auswertungen eine zuverlässige Basis darstellen.

Im Mittel verkürzte sich bei Betrachtung aller 15 Zuweiser der Abstand zwischen Operation und Aufnahme in die Rehaklinik um 1,7 Tage von 16,7 Tagen auf 15,0 Tage. Bei 7 der 15 Zuweiser ergab ein Wilcoxon-Rangsummentest signifikante Veränderungen auf dem 5%-Niveau, die Verkürzungen betrugen hier 2,7 / 3,7 / 3,8 / 4,5 / 9,8 / 10,5 / 22,4 Tage.

Diskussion: Es ist noch anzumerken, dass der zahlenmäßig bedeutendste Zuweiser von je her im Rahmen der Endoprothetik frühzeitig verlegte und somit bei ihm durch die DRG-Einführung keine Veränderung zu erwarten war (mittlere Abstände vorher/nachher jeweils 12,7 Tage). Ohne diesen Zuweiser betrüge die mittlere Verkürzung sogar 3,1 Tage statt der o.a. 1,7 Tage.

Ferner ist im Beobachtungszeitraum ein steigendes Alter der Rehabilitanden (70,3 vs. 71,5 Jahre, Wilcoxon p<0.0031) bei gleichzeitiger Verkürzung der AHB-Dauer (27,2 vs. 25,0 Tage, Wilcoxon p<0.0001) zu konstatieren.

Bei einigen Zuweisern liegen verhältnismäßig kleine Fallzahlen bei deutlicher Streuung aufgrund von Sonderfällen (z.B. Polytraumen) vor, so dass sich die maximale Verkürzung von 22,4 Tagen relativiert.

In diese Untersuchung flossen lediglich Daten aus einer Rehaklinik ein. Für eine generelle Aussage wären umfangreichere Untersuchungen über mehr Häuser und Zuweiser erforderlich. Die notwendigen Daten könnten vermutlich mit dem hier vorgestellten computergestützten Verfahren mit minimalem Aufwand aus vorhandenen Routinedaten ermittelt werden.

Zusammenfassend liefert die untersuchte Stichprobe Hinweise darauf, dass nach Einführung der Fallpauschalen zumindest einige Akuthäusern früher in die Reha verlegen.

Literatur:

[BGBl 2003] Gesetz zur Einführung des diagnoseorientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz – FPG).

Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I Nr. 27, Bonn (2002).

[GNU 2003] package gnu.regexp: Regular Expressions for Java.

Online: http://www.cacas.org/java/gnu/regexp [zitiert 28.10.2003]

[Kaluscha 2005] Informationsgewinnung aus Freitexten in der Rehabilitationsmedizin. Eingereicht als Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Humanbiologie (Dr. biol. hum.) der medizinischen Fakultät der Universität Ulm (2005).