Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2005; 15 - A17
DOI: 10.1055/s-2005-917875

Die Bad-Neustädter Schiene. Eine Orthesenversorgung zur Korrektur des Malalignments der Fuß- und Sprunggelenke

A Hartnick 1, B Herterich 1, D Steube 1, A Traub 1
  • 1Neurologische Klinik, Bad Neustadt/Saale

Fragestellung: Das Erreichen der Gehfähigkeit wird von Patienten mit einer zentral bedingten Halbseitenlähmung häufig als primäres Ziel genannt. Bei persistierenden neurologischen Defiziten ist deshalb in bestimmten Phasen der Rehabilitation eine Hilfsmittelversorgung erforderlich. Hierbei werden häufig Fußheberorthesen zur Erleichterung der Dorsalextension des oberen Sprunggelenkes in der Spielbeinphase eingesetzt. Tonuserhöhungen und/oder Instabilitäten in den Fußgelenken sind darüber hinaus häufige Probleme, die bei der Hilfsmittelauswahl beachtet werden müssen. Das normale Alignment des Fußes so gut wie möglich wiederherzustellen war die Herausforderung für uns, eine eigene Schiene zu entwickeln, die diese Idee auf pragmatische Weise umsetzt. Als Folge des korrigierten Malalignments erwarten wir eine Verbesserung der Rekrutierung der Muskelgruppen sowohl für die Haltung als auch für die dynamische Aktivität beim Gehen.

Methode: Die biomechanischen Grundlagen werden dargestellt und anhand eines Fallbeispieles die Wirkungsweise der Bad-Neustädter-Schiene aufgezeigt. Um die Wahl der geeigneten Fußschiene zu überprüfen, wurde der Time Walking Test angewendet. Im direkten Vergleich wurde der Test mit Peronaeusschiene und der Bad-Neustädter-Schiene durchgeführt.

Ergebnis: Sowohl im 20-Meter-Gehtest, als auch beim 2-Minuten-Gehtest zeigte sich die Bad-Neustädter-Schiene der Peronaeusschiene deutlich überlegen. Zum Zeitpunkt der Erstversorgung erreichte der Patient mit der Bad-Neustädter-Schiene über 20 Meter 23 Sekunden (Peronaeusschiene: 36 Sekunden), beim 2-Minuten-Gehtest 105 Meter (Peronaeusschiene: 66 Meter). Nach 5 Wochen wurde ein erneuter Test durchgeführt, der die Überlegenheit der Bad-Neustädter-Schiene weiter bestätigte. Der geschilderte Patient hatte ein auffälliges Malalignment in der Standbeinphase. Eine Korrektur der Fußstellung (Gewölbe/unteres Sprunggelenk) war notwendig, um durch Verbesserung der biomechanischen Verhältnisse eine Aktivierung, auch weiter proximal, zu erleichtern. Diese Korrektur war nur durch eine maßangepasste Schiene nach Gipsabdruck in korrigierter Stellung zu erreichen, wie es bei der Bad-Neustädter-Schiene umgesetzt wird.

Diskussion: Aufgrund der dargestellten Probleme des Malalignments können Konfektionsschienen nicht in ausreichendem Maß die Funktionsstörungen ausgleichen, weshalb der Einsatz der Bad-Neustädter-Schiene empfohlen wird. Die Schiene kann bereits beim Stehtraining und bei Transferübungen des Alignments im Bereich der Fuß- und Sprunggelenke sicherstellen. Dadurch werden schon frühzeitig wichtige Voraussetzungen für die Funktionsanbahnung in Knie- und Hüftgelenk sowie Becken und Rumpf geschaffen. Für das Gehtraining werden die Bedingungen optimiert. Sowohl Gangökonomie als auch Gangsicherheit und -qualität können durch die Bad-Neustädter-Schiene gesteigert werden. Patienten profitieren sowohl auf Aktivitätsebene als auch in ihren Möglichkeiten zur Partizipation durch den vergrößerten Aktionsradius deutlich. Gerade im Hinblick auf die Zeit nach dem Klinikaufenthalt sind die Gehausdauer und Gehgeschwindigkeit entscheidende Faktoren für das Ausmaß der Integration im häuslichen Umfeld. Diese Gangparameter sind von großer Bedeutung für die Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und die Berufstätigkeit wieder aufzunehmen.

Literatur:

1 Baehler A-R. Orthopädietechnische Indikationen. Verlag Hans Huber, Bern 1996

2 Kapandji IA. Funktionelle Anatomie der Gelenke. Hippokrates Verlag GmbH, Stuttgart 1999, 2001

3 Perry J. Gait Analysis, Normal and Pathological Function. Slack Incorporated 1992, deutsche Ausgabe: Ganganalyse. Urban und Fischer 2003