Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2005; 15 - A14
DOI: 10.1055/s-2005-917872

Auswirkungen einer neuromuskulären elektrischen Stimulation auf den Musculus quadriceps femoris bei Patienten an einer Intensivstation – erste Daten

W Gruther 1, C Zöch 1, T Paternostro-Sluga 1, C Spiss 1, P Kraincuk 1, F Kainberger 1, M Quittan 1, R Crevenna 1
  • 1Univ. Klinik für Phys. Med. und Rehab. – AKH Wien, Wien

Fragestellung: Intensivpatienten zeigen während ihres Aufenthaltes auf der Intensivstation insbesondere in Abhängigkeit von der Liegedauer vor allem in den ersten zwei Wochen eine ausgeprägte Muskelatrophie mit enormen Muskelmasseverlust. Dies ist bedingt durch die Grund- und Begleiterkrankungen, durch die (katabole) intensivmedizinische Situation und durch die Immobilisation der Patienten. Die neurosmukuläre elektrische Stimulation (NMES) ist eine wirkungsvolle, passive, (kardial) wenig belastende (Trainings-)Methode zur Steigerung der motorischen Grundeigenschaften Kraft und Ausdauer, welche besonders dann gut einsetzbar ist, wenn aktives Training nicht durchgeführt werden kann oder darf. Diese Pilotuntersuchung hatte zum Ziel, die Wirksamkeit einer NMES der Kniestreckermuskulatur bei Intensivpatienten zu untersuchen.

Methode: 33 Intensivpatienten (Mindestaufenthalt an der Intensivstation: 14 Tage, Aufenthalt von 1–60 Tagen, m:f=6:27, Alter 55±15) wurden in diese randomisierte, kontrollierte, einfachblinde Pilotstudie aufgenommen. Die Patienten wurden entsprechend ihrer Liegedauer (vor Einschluss in die Studie) in zwei Gruppen unterteilt: Akut-Patienten (<7 Liegetage) und Langzeit-Patienten (>14 Liegetage). Beide Gruppen wurden randomisiert und in eine Stimulationsgruppe (bis deutliche Muskelkontraktion) und Kontrollgruppe (keine sichtbare Muskelkontraktion) unterteilt. Die Probanden erhielten über einem Zeitraum von 4 Wochen eine NMES für beide Mm. quadriceps appliziert. Die NMES wurde fünfmal wöchentlich und jeweils über 30–60 Minuten pro Therapieeinheit via Oberflächenelektroden appliziert (NMES Protokoll: biphasische Rechteck-Impulse, Impulsbreite: 350 Microsekunden, Frequenz: 50Hz; on-/off-Phasen=8s/24s).

Vor und nach der Stimulationsperiode wurden Ultraschallmessungen zur Bestimmung der Muskeldicke der Mm.vastus intermedius und rectus femoris des M. quadriceps femoris (diese haben sich in einer Vorstudie auch im Rahmen eines intensivmedizinischen Settings als einfach handzuhabendes und gut einsetzbares Instrument zur Erfassung der Muskelatrophie der Patienten erwiesen) durchgeführt.

Ergebnis: Für alle Akut-Patienten zeigte sich trotz Stimulation ein signifikanter Muskeldickenverlust (p<0,01).

Bei den Langzeit-Patienten zeigten Patienten der Stimulationsgruppe nach der Stimulationsperiode signifikant höhere Werte für die sonographisch bestimmte Muskeldicke als jene der Kontrollgruppe (p<0.05).

Diskussion: Die ersten Ergebnisse dieser Pilotstudie weisen daraufhin, dass eine NMES der Kniestreckermuskulatur bei Patienten im Rahmen eines längeren Intensivaufenthaltes zum Zuwachs von Muskelmasse führen kann. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass die ausgeprägte initiale Atrophie der Oberschenkelmuskulatur, welche sich bei Intensivpatienten besonders in den ersten zwei Wochen des Intensivaufenthaltes entwickelt, im Rahmen dieser Untersuchung auch durch den Einsatz einer NMES nicht zu beeinflussen war. Um die Zusammenhänge dieser Beziehungen genauer aufzuklären sind weitere Studien unter Einschluss weitaus größerer Fallzahlen und modifizierter Studienprotokolle mit dem Einsatz längerer Stimulationszeiten, etc. dringend erforderlich.