Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2005; 15 - A4
DOI: 10.1055/s-2005-917862

Eignung der Willingness-to-pay Methodik in der Rehabilitation. Entwicklung und Evaluation eines Konzeptes zur monetären Bewertung von Gesundheitseffekten in der Rehabilitation

M Brach 1, D Gerstner 1, A Hillert 1, E Esteban 1, A Schuster 1, N Sosnovsky 1, G Stucki 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, München

Fragestellung: Die zur Zeit in der Medizin vorwiegend verwendete Kosten-Nutzwert-Analyse für die Evaluation rehabilitativer Intervention eignet sich vor allem aufgrund ihrer fehlenden Sensitivität kaum für kleine Veränderungen. Es ist Ziel, die Kosten-Nutzen-Analyse auf ihre Eignung für ökonomische Evaluationen rehabilitativer Interventionen zu prüfen.

Die Willingness to pay Methodik ist ein Instrument zur Erfassung des Nutzens in monetären Einheiten und wird im Rahmen von gesundheitsökonomischen Evaluationen (Kosten – Nutzen – Analysen) eingesetzt. Ziel des Projektes ist es diese Methode auf ihre Eignung in der medizinischen Rehabilitation zu untersuchen.

Methode: Im Rahmen einer Längsschnittstudie an 2 Zentren wurden 336 Patienten mit muskuloskelettalen Beschwerden (Osteoarthrose, Osteoporose und degenerative Rückensyndrome im Klinikum der Universität München) und 201 Patienten mit psychosomatischen Problemen (Depression und somatoforme Schmerzstörungen in der Klinik Roseneck in Prien) befragt. Ihre Willingness to pay wird zu Beginn (ex ante), am Ende (ex post) und 6 Monate nach Beendigung der Rehabilitation gemessen. Die Erfassung des Nutzens rehabilitativer Interventionen orientiert sich hierbei an definierten Gesundheitseffekten wie der Veränderung der Schmerzintensität, die in allen Indikationen, mit Ausnahme der Therapie der Depression, deren Erfolg anhand von Veränderungen der Depressivität gemessen wird, Relevanz besitzt.

Die Erfassung der Zahlungsbereitschaft erfolgt anhand eines strukturierten persönlichen Interviews. Potentielle Einflussfaktoren werden mit einem Fragebogenset erhoben und beinhalten Daten zur Soziodemographie, zur Komorbidität, zum Schmerzgeschehen, zum Gesundheitsverhaltens, zur Therapiemotivation sowie krankheitsspezifische und generische Instrumente.

Ergebnis: Die ex ante Teilnehmerquote lag bei 90%, die ex post Quote bei 83,5%.

Die ex ante Item Response Quote bezüglich der WTP-Frage lag bei 98,3% und ex post bei 98,8%. Der Aufgabenstellung, eine monetäre Bewertung von Gesundheitseffekten vorzunehmen, ordneten die Patienten im ex ante Interview am häufigsten einen mittleren Schwierigkeitsgrad zu (Modus=mittel). In der ex post Befragung wurde diese Aufgabenstellung von den meisten Teilnehmern gleich häufig als einfach bzw. schwierig empfunden. Die Interviewdauer liegt ex-ante bei durchschnittlich 30 Minuten und in der ex-post Befragung bei 15 Minuten.

Im Schnitt erwarteten die Patienten zu Beginn der Therapie eine Verbesserung ihrer Symptomatik um 3,0 Stufen auf einer zehnstufigen Numerical Rating Scale. Am Ende der Therapie stellt sich eine Verbesserung der Symptomatik um 1,5 Stufen ein.

Der genannten erwarteten Verbesserung der Symptomatik wird eine mittlere monatliche Zahlungsbereitschaft (wenigstens für 1 Jahr) von 212 € zugeordnet. Die tatsächlich erfahrene Symptomverbesserung wird von den Patienten mit einer maximalen monatlichen Zahlungsbereitschaft (wenigstens für 1 Jahr) von 160 € bewertet. Die maximale monatliche Zahlungsbereitschaft korreliert mit dem frei zur Verfügung stehenden Einkommen. Dieser Zusammenhang findet sich sowohl zu Beginn der Therapie als auch nach der Therapie.

Diskussion: Mit dem Ansatz der Willingness-to-pay Methodik wird der ökonomische Aspekt von Gesundheit mit der individuellen Perspektive und Bewertung des Patienten zusammmengeführt. Es wurde eine valide und reliable Möglichkeit zur ökonomischen Evaluation von Beeinträchtigungen der funktionalen Gesundheit und damit zum ökonomischen Vergleich von Rehabilitationsmaßnahmen entwickelt. Unangemessene rehabilitative Interventionen können aufgrund der monetären Bewertung des Patienten identifiziert und gegebenenfalls an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden.

Im Sinne einer stärkeren Orientierung des Gesundheitswesens und auch der Gesundheitsökonomie an den Bedürfnissen des Patienten, ist der Willingness-to-pay Ansatz aufgrund beschränkter Ressourcen sinnvoll, um den politischen Prozess der Ressourcenallokation im Gesundheitswesen transparenter und effizienter zu gestalten. Die Eignung der Methodik ermöglicht sensitive ökonomische Bewertungen von Gesundheitseffekten und damit den ökonomischen Vergleich von rehabilitativen Interventionen und der monetären Bewertung der Konsequenz direkt durch den Befragten.