Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - P71
DOI: 10.1055/s-2005-871522

Entwicklungsrehabilitation frühgeborener Kinder

J Reichert 1, K Appel 1
  • 1Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin, D

1. Ziel des interdisziplinären Forschungsprojekts, an dem

  • die Klinik für Neonatologie, Charité – Berlin (CCM),

  • der Deutsche Kinderhilfe Direkt e.V.,

  • das Institut für Rehabilitationswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

beteiligt sind, ist die Verbesserung der Entwicklung frühgeborener Kinder.

2. Jährlich werden in der BRD ca. 800.000 Kinder geboren, von denen 12% ein Geburtsgewicht <1500g haben. Die medizinische Versorgung führte in den vergangenen Jahren zur Senkung der Letalität, die erhebliche postnatale Unreife mündet jedoch in Langzeitmorbidität mit hohem Nachbetreuungsaufwand und oft reduzierter Lebensqualität betroffener Kinder und Eltern.

3. Elementare Bereiche der Frühförderung, nämlich

  • Entwicklungsrehabilitation des frühgeborenen Kindes,

  • Beratung und Begleitung der Eltern zur Herausbildung von Förderkompetenz,

  • Unterstützung entwicklungsförderlicher Eltern-Kind-Beziehungen

sollen strukturell und funktionell vernetzt werden, um sie den konkreten Eltern-Kind-Situationen optimal anpassen zu können; sie konstituieren zugleich Schwerpunkte im Forschungsprojekt.

4. Ergebnisse einer Recherche nationaler und internationaler Literatur liegen für den ersten Bereich in Form einer Diplomarbeit vor:

Fragestellung: Welche Möglichkeiten von Entwicklungsförderung frühgeborener Kinder werden in der aktuellen neonatologischen Forschung dargestellt?

Methodik: In die Recherche einbezogene, vorrangig empirisch orientierte Arbeiten wurden hinsichtlich gesicherter Kernaussagen systematisiert.

Ergebnisse: Vorliegende Erkenntnisse lassen das Erfordernis einer Unterteilung in (a) Reifeparameter des Kindes, (b) Strukturiertheit des Förderkonzepts und (c) Entwicklungsorientiertheit der Förderinhalte erkennen.

  • Entwicklungsförderung muss entwicklungslogisch begründete sensible Phasen berücksichtigen, wobei die physiologische Stabilität als Reifeparameter zugleich die Angemessenheit der Fördermaßnahmen indiziert.

  • Durch die Strukturiertheit umfassender Förderkonzepte müssen intrauterine Entwicklungsbedingungen möglichst optimal rekonstruiert werden, was sich vor allem auf eine Über- bzw. Unterstimulation bezieht.

  • Die konkrete Fördermaßnahme muss sich an theoretisch begründeten Entwicklungsabfolgen orientieren (Als et al., 1994).

Beispiel: Responses of Preterm Infants to Unimodal and Multimodal Sensory Intervention (White-Traut et al., 1997)

Untersucht wurden Effekte uni- bzw. multimodaler Stimulation (N=54; GA=32 Wochen). Als günstig hinsichtlich Fütterverhalten und Interaktionskompetenz erwiesen sich Konzepte, die auditive, taktile, visuelle und vestibuläre Komponenten beinhalteten; rein taktile Stimulationen wurden wegen stark erhöhter Vitalparameter als überlastend eingeschätzt.

Fazit: Strukturiertheit und inhaltliche Gestaltung von Fördermaßnahmen führen zu messbarem Entwicklungsgewinn, wenn sie an kindlicher Entwicklungslogik orientiert sind; reifegradbestimmte Vitalfunktionen indizieren optimale Förderintensität.