Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - P54
DOI: 10.1055/s-2005-871505

Neonatale muskuläre Hypotonie als wichtiges Leitsymptom einer seltenen Diagnose- Das Smith-Lemli-Opitz-Syndrom – ein Fallbericht

K Prokop 1, S Patzer 1, C Heß 1, G Hoffmann 2, L Patzer 1
  • 1Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Halle/S
  • 2Kinderklinik Universität Heidelberg, Heidelberg, D

Die Indexpatientin wurde nach unauffälligem Schwangerschaftsverlauf (Ausnahme: 1. Trimenon auffallende Nackenfalte, Amniozentese ergab unauffälligen weiblichen Karyotyp) als term-eutrophes NG (Geburtsgewicht: 3390g, Körperlänge: 52cm) und zweites Kind der Eltern in der 42. Schwangerschaftswoche geboren. Postnatale Adaptation regelrecht (APGAR 9/10/10).

Familienanamnese: Kindesmutter (Geburtsjahr: 1966) basale Syndaktylien der II. und III. Zehe bds., Schwester (15 Jahre) einseitige Lippenspalte, 1. Kind des Onkels (v) Neuralrohrdefekt – innerhalb des 1. Lebensjahres verstorben.

Bereits zur U1 klinisch auffällig: generalisierte, jedoch stammbetonte muskuläre Hypotonie; fehlender Saugreflex und verminderter Schluckreflex mit folgender Trinkschwäche, teigige rosige Haut; Mikrocephalus; auffallende Facies: prominente Stirnhöcker, Hypertelorismus, Epikanthus, antevertierte Nares, breiter Nasenrücken, Retromikrogenie, betonte Alveolarfortsätze des Ober- und Unterkiefers, hoher Gaumen, tiefsitzende, nach posterior rotierte Ohren; Vierfingerfurche links; hypermobile akrale Gelenke, insbesondere Fingergelenke; Syndaktylien der Zehen II und III; muskuläre Kontrakturen im Bereich beider Ellenbogen- und Kniegelenke.

Die beschriebenen Stigmata insbesondere die faciale und akrale Dysmorphie in Kombination mit der deutlichen hals- und rumpfbetonten muskulären Hypotonie legten den Verdacht auf ein Smith-Lemli-Opitz-Syndrom nahe (OMIM 270400).

Diagnostik: 7-Dehydrocholesterol mit 16,6mg/dl (NB: <0,2) und 8-Dehydrocholesterol mit 17mg/dl (NB: 0,2) deutlich erhöht, Cholsterol mit 30,8mg/dl erniedrigt. (7-DHC+8-DHC)/Cholesterol-Ratio mit 1,09 deutlich erhöht und somit Bestätigung der klinischen Verdachtsdiagnose.

Verlauf: Ernährung nur durch nasogastrale Sonde möglich. Diskrete Verbesserung der Schluckfunktion mittels Mundbodengymnastik. Substitutionsbehandlung mit Cholesterin-Kapseln (100mg/kg KG und Tag in 4 Einzeldosen) führten zu einer schrittweisen Besserung der muskulären Hypotonie sowie des Saug- und Schluckreflexes; es besteht jetzt im Alter von 5 Monaten jedoch weiterhin eine Mikrocephalie und eine statomotorische Retardierung.

Wir erinnern mit einem Fallbericht an die Differentialdiagnose des Smith-Lemli-Opitz Syndroms bei muskulärer Hypotonie und akralen Dysmorphien. Eine frühzeitige Diagnostik und Substitutionsbehandlung kann die mentale und statomotorische Entwicklung der Patienten verbessern.