Hintergrund: Apnoen mit Bradycardien und Pneumonie sind geläufige kardiorespiratorische Komplikationen des Keuchhustens im Säuglingsalter. Sehr selten kommt es zum malignen Keuchhusten mit Ateminsuffizienz, pulmonaler Hypertonie und Kreislaufversagen. Wir berichten über einen jungen Säugling (33 + 0 SSW, 2010g Geburtsgewicht) mit Keuchhusten, dessen Verlauf durch eine im Verhältnis zur kardiorespiratorischen Beeinträchtigung übermäßige Tachycardie kompliziert war.
Fallbericht: Nach primärer Entlassung kam es am 57. Lebenstag zu mäßiger Dyspnoe und Hustenattacken mit Zyanose ohne Fieber. Es bestand eine Sinustachycardie von 160 /min im Schlaf, die in den folgenden Tagen zunahm. Die Herzfrequenz betrug in Ruhe bis zu 200 /min bei einer Atemfrequenz von 50 /min. Körpertemperatur und Blutdruck waren normal. Zunächst war die respiratorische Symptomatik die einer Bronchiolitis. Wir behandelten mit Salbutamol-Inhalationen. Am 8. Behandlungstag traten bei nunmehr pertussiformem Husten Apnoen auf. Im Röntgenbild imponierten pulmonale Infiltrate. Das Kind wurde bei respiratorischer Insuffizienz über 7 Tage beatmet. Das Echocardiogramm zeigte eine diskrete Vergrößerung des linksventrikulären Durchmessers auf 26mm (nomal <25mm) bei einer normalen Verkürzungsfraktion von 29%. Es gab keine Zeichen der pulmonalen Hypertension. Auch nach Beendigung der Salbutamol-Inhalation und unter Beatmung, Digitalisierung und Analgosedierung persistierte die Tachycardie >160 /min im Schlaf. Erst nach 4 Wochen Normalisierung auf Frequenzen um 140 /min.
Die initial normale Leukocytenzahl stieg auf 90.700 /µl (44% Lymphocyten) am 14. Behandlungstag an. Ab dem 7. Behandlungstag Therapie mit Erythromycin. Im Rachenabstrich Nachweis von B. pertussis-DNA, im Serum IgG-Antkörper gegen Pertussis-Toxin.
Diskussion: Eine im Verhältnis zur respiratorischen Beeinträchtigung übermäßige Tachycardie ohne Fieber, arterielle Hypotension, Schmerzen oder Aufregung – wie sie in unserem Fall vorlag – wird in einem Fallbericht als Tachycardia sine materia bezeichnet und von den Autoren als typisch für den malignen Keuchhusten des jungen Säuglings angesehen.
Im Tierversuch führte die Injektion von Pertussis-Toxin zu einer mehr als 15 Tage anhaltenden Tachycardie, die nicht durch vagale Stimulation zu beeinflussen war. Vermutlich wird die Affinität der muskarinartigen Rezeptoren gegenüber Agonisten durch das Pertussis-Toxin vermindert und so der Vagotonus blockiert.
Schlussfolgerung: Beim Keuchhusten kann es zu einer durch das Pertussis-Toxin vermittelten Tachycardia sine materia kommen. Eine im Verhältnis zur respiratorischen Beeinträchtigung übermäßige Tachycardie sollte bei jungen Säuglingen mit Symptomen einer Bronchiolitis bereits an Keuchhusten denken lassen bevor dessen typische Zeichen (pertussiformer Husten, Apnoeanfälle und Lymphocytose) vorliegen.