Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - P39
DOI: 10.1055/s-2005-871490

Malignes Neuroleptisches Syndrom

M Wilhelm 1, C Wieg 1
  • 1Klinikum Aschaffenburg, Aschaffenburg, D

Einleitung: Das Maligne Neuroleptische Syndrom (MNS) stellt bei Kindern eine seltene, aber äußerst bedrohliche Komplikation einer Therapie mit Neuroleptika dar. Es ist in seinem Bild der malignen Hyperthermie ähnlich, geprägt von eine Rhabdomyolyse, Fieber und einer Multiorganbeteiligung. Neuroleptika sind plazentagängig und können somit auch in den fetalen Organismus gelangen.

Fallbeschreibungen: Pat 1) 7 j. behinderter Junge mit Tetraparese und Epilepsie (ehm. Zwillings FG 30 SSW-GA, i.U Schädigung nach feto-fetaler Transfusion). Am Tag vor Aufnahme Infekt der oberen Luftwege, einmalige Gabe von 25mg Thioridazin (Melleril) zur Beruhigung. Nach 14 Stunden Unruhe, Zittrigkeit, Fieber bis 40°C, Verstärkung der Muskelhypertonie und Ödeme.

Rhabdomyolyse, eingeschränkte Diurese, transientes Leberversagen in der Folge.

Unter Dantrolene-Infusion Restitution innerhalb von 3 Tagen.

Pat 2) 12 std. altes hypotrophes Neugeborenes (Outborn), Fieber bis 38°C, Tachypnoe, eingeschränkte Mikrozirkulation und pos. mütterlicher Infektionsanamnese. Aufnahme mit V.a. Infektion. Zittrig, erhöhter Muskeltonus, sehr unruhig. Rhabdomyolyse mit Myokardbeteiligung, transiente Kreatininerhöhung (max. 1,4mg/dl) Spontane Restitution innerhalb von 10 Tagen. Auf Nachfrage beim Geburtshelfer ergibt sich, dass die Mutter 1h präpartal 10mg Triflupromazin (Psyquil) i.V. unter der Geburt erhielt. Ein Stoffwechseldefekt konnte weitgehend ausgeschlossen werden.

Maximalwerte CK (U/l) LDH (U/l) GOT (U/l) GPT (U/l) Urin: Häm pos TroponinTng/ml Myoglobin i.S. ng/ml

7 Jahre 55000 3465 4810 3996 +++ <0,01 1720

Ngb. (12 std.) 86801 3881 845 998 +++ 0,46 161

Diskussion: Rhabdomyolysesyndrome im pädiatrisch-neonatologischen Krankengut sind selten und treten meist i.R. eines SIRS oder bei zugrunde liegenden Energiestoffwechseldefekten auf. Bei unseren Patienten findet sich ein eindeutiger zeitlicher Zusammenhang zu einer Medikation mit Neuroleptika. In beiden Fällen lag eine Infektion und Dehydratation vor, was als Trigger eines MNS beschrieben wird. Im Review von Silva et al. (J Am Acad Child Adolesc Psychatry, 1999) findet sich bei 77 Patienten eine Alterspanne von 0,9–18 Jahren mit einer Mortalität von 9% und einer ernsten Folgemorbidität von 20%. Als Ursachen für eine MNS werden Polymorphismen im P450–2D6-Gen und im Dopamin D2-Rezeptorgen diskutiert, die zu Störungen im Metabolismus von Neuroleptika führen können (z.B.Comedikation, Infektionen, Dehydratation) Neben der vorsichtigen Steuerung des Wasser- und Elektrolythaushaltes können Dantrolene und Bromocriptin eingesetzt werden, es liegen allerdings dazu keine Studien vor.

Konklusion: Bei laborchemischen Zeichen einer Rhabdomyolyse im Kindesalter sollte differentialdiagnostisch ein MNS in Betracht gezogen werden. Nach unserer Recherche wurde bei Neugeborenen bisher noch kein MNS in der Literatur beschrieben.