Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - P32
DOI: 10.1055/s-2005-871483

Klinische, neurophysiologische und neuropathologische Befunde nach totaler Asphyxie bei einem Reifgeborenen – ein typisches Mischbild aus “typischen“ Schädigungsmustern?

L Garten 1, D Hüseman 1, G Stoltenburg- Didinger 2, S Heck 3, M Obladen 1
  • 1Klinik für Neonatologie, Charité Virchow Klinik
  • 2Institut für Neuropathologie, Charité
  • 3Krankenhaus Waldfriede, Geburtshilfl. Abteilung, Berlin, D

Einleitung: 1972 beschrieb Myers (1) erstmalig zwei unterschiedliche neuropathologische Schädigungsmuster nach perinataler Asphyxie. Erstens das typische Schädigungsmuster nach „totaler Asphyxie“, verursacht durch eine vollständige Unterbrechung der zerebralen Perfusion mit folgender Nekrose der grauen Substanz auf subkortikaler Ebene, und zweitens das typische Schädigungsmuster nach „partieller Aspyhxie“, verursacht durch eine länger andauernde zerebrale Minderperfusion und Hypoxie mit folgender Nekrose kortikaler Strukturen. Als entscheidender Faktor für das jeweilige Schädigungsmuster wurde der ursächliche Schädigungsmechanismus angesehen. In neuerer Zeit rückte das Reifealter als entscheidender Faktor für die Art des zerebralen Schädigungsmusters in den Vordergrund. So werden typische zerebrale Schädigungsmuster des Frühgeborenen (z.B. IVH, PVL, white-matter Gliose oder symmetrische Nekrosen der grauen Substanz auf subkortikaler Ebene) von typischen Läsionen des Reifgeborenen (z.B. diffuse kortikoneuronale Schädigung mit nachfolgender generalisierter Hirnatrophie, parasagittale Wasserscheiden-Infarkte oder subkortikale Leukomalazie) unterschieden. Als entscheidender Faktor für das jeweilige Schädigungsmuster werden reifeabhängige Unterschiede in Bezug auf Metabolismusrate und Perfusion unterschiedlicher Regionen des ZNS angesehen.

Fallbericht: Wir berichten von einem Mischbild aus totaler und partieller Asphyxie bzw. aus reif- und frühgeborenentypischem Schädigungsmuster bei einem Neugeborenen von 38+2 SSW nach Nabelschnurvorfall und vollständiger Plazentalösung, NapH 6,52, APGAR 0/3/4. Im Verlauf zeigte sich das Bild einer hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie 3° mit typischen klinischen und neurophysiologischen Befunden (EEG, Sonographie, AEP) einer Schädigung von Thalamus, Basalganglien, Stammhirn und Rückenmarks sowie zusätzlich einer relevanten Schädigung kortikaler Strukturen. Exitus letalis am 6. Lebenstag. Neuropathologischen Untersuchung: symmetrische säulenförmige neuronale Nekrose in Thalamus, Basalganglien, Hirnstamm und Rückenmark (subkortikal); wie erwartet konnte ebenfalls eine kortikale Schädigung mit Ödem im Bereich von periventrikulärem Marklager und Kortex mit laminärer Rindennekrose nachgewiesen werden.

Kommentar: Wir stellen diesen Fall wegen der bemerkenswert guten Korrelation von klinischen, neurophysiologischen und neuropathologischen Befunden vor und weil er zudem aufzeigt, dass weder die alleinige Berücksichtigung des Reifealters noch des ursächlichen Schädigungsmechanismus eine sichere Aussage bezüglich des zu erwartenden neuronalen Schädigungsmusters erlauben.

Literatur:

1: Myers RE: Two patterns of perinatal damage and their conditions of occurrence. Am J Obstet Gynecol 1972;112:246–76.