Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - P21
DOI: 10.1055/s-2005-871472

Neonatales Abstinenzsyndrom – erhöhte Inzidenzrate in Leipzig

A Bläser 1, D Hückel 1, E Robel-Tillig 1, W Kiess 1
  • 1Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder, Leipzig, D

Hintergrund und Fragestellung: Neugeborene mit neonatalem Entzugssyndrom (NAS) benötigen häufig einen langen stationären Aufenthalt. In dem ca. 500 000 Einwohner umfassenden Einzugsgebiet der Universitätskinderklinik Leipzig wurde zwischen 1998 und 2000 ein deutlicher Anstieg der Inzidenz des NAS bei den betreuten Neugeborenen beobachtet. Seither ist die Zahl der betroffenen Neugeborenen auf diesem Niveau konstant. Im Rahmen einer retrospektiven Analyse der beobachteten Fälle wurden neben der mütterlichen Substanzeinnahme u.a. auch die kindlichen demographischen Daten, Art, Verlauf und Dauer der Therapie des NAS erfasst.

Ergebnisse: Von 1998 bis 2003 wurden insgesamt 42 Neugeborene von Müttern mit bekanntem Drogenmissbrauch betreut. Die Anzahl der betreuten Kinder verteilte sich wie folgt: 1998 n=2, 1999 n=3, 2000 n=8, 2001 n=8, 2002 n=11, 2003 n=10. 38,1% der Neugeborenen waren hypotroph, 21,4% hypoplastisch.

Bei den von den Müttern eingenommenen Substanzen handelte es sich um vorwiegend um Methadon (n=28), Heroin, vereinzelt auch um Kokain, Cannabis und Benzodiazepine. 2 Frauen erhielten eine Substitutionsbehandlung mit Buprenorphin. Beigebrauch zur Substitutionstherapie bestand in 12 Fällen. Der Nachweis mindestens einer der von der Mutter konsumierten Drogen im kindlichen Urin gelang in 33 Fällen.

Bei 34 der Neugeborenen (81%) wurden Symptome eines NAS unter Benutzung des Finnegan-Score beobachtet und behandelt. Der Beginn der Entzugssymptomatik lag zwischen erstem und zweitem Lebenstag. Hauptsymtome waren Unruhe, schrilles Schreien und exzessives Saugen. Die Beurteilung der Symptomatik und die Festlegung der medikamentösen Therapie erfolgte bei 38 Patienten anhand des Finnegan-Score. Alle Neugeborenen erhielten medikamentöse Therapie mit Phenobarbital. 16 Kindern wurde zusätzlich Morphin (i.v. n=5, p.o. n=11) verabreicht.

Der Vergleich der Therapiedauer zeigte sich, dass das NAS infolge Methadoneinnahme (bzw. Methadoneinnahme mit Beigebrauch) einen deutlich längeren Therapiezeitraum erforderte als die Entzugstherapie bei Neugeborenen von Müttern mit Heroinkonsum (22 vs. 15 Tage). Dies galt sowohl für die Therapie mit Phenobarbital als auch für die zusätzlich notwendige Therapie mit Morphin.

Schlussfolgerung: Synchron zum Anstieg des Opioidkonsums (siehe Suchtbericht der Stadt Leipzig) konnte ein deutlicher Anstieg des NAS im Raum Leipzig beobachtet werden. Dabei handelte es sich in über 50% der Fälle um einen Methadonentzug. Der in der Auswertung von Therapieart und –dauer deutliche Nachteil für die Neugeborenen von Methadonsubstituierten Müttern legt die Frage nach anderen Substitutionsmöglichkeiten für schwangere oder im gebährfähigen Alter befindliche drogenabhängige Frauen nahe.