Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - P16
DOI: 10.1055/s-2005-871467

Analyse der Bedürfnisse und Trauerreaktionen der Eltern bei Tod ihres Neugeborenen auf einer neonatologischen Intensivstation

I Wermuth 1, A Schulze 1
  • 1Neonatologie an der Frauenklinik Großhadern der LMU, München, D

Die Studie zeigt auf, wie Eltern den Tod ihres Neugeborenen erleben, welche Faktoren dieses Erleben und die Trauerreaktion beeinflussen. Ziel der Analyse ist eine zukünftige Verbesserung der Hilfsangebote.

Methodik: Die Eltern aller Neugeborenen, die in einem 5-Jahres-Zeitraum auf der neonatologischen Intensivstation verstarben, wurden um eine schriftliche sowie persönliche Studienteilnahme gebeten. Der 21-seitige Fragebogen enthielt 242 Fragen einschließlich der Perinatal Grief Scale (PGS, validiertes Messinstrument), die mittels einer fünfstufigen Skala 33 Items in drei Subskalen erfasst. Das halbstrukturierte Interview führte eine Person, die zuvor nicht in die Betreuung einbezogen war. Es diente unter anderem der Bezugnahme auf Entscheidungsprozesse zur Beendigung von Intensivmaßnahmen. Alle Gespräche wurden aufgezeichnet und transkribiert. Explorative statistische Vergleiche, nonparametrische Verfahren.

Ergebnisse: 50 Eltern zu 31 von insgesamt 48 verstorbenen Kindern beteiligten sich, davon 41 per Fragebogen und Interview, 9 nur schriftlich. Die mediane Interviewdauer war 2,6 Stunden.

Die Trauerintensität (PGS) sowie die selbsteingeschätzte Dauer der Trauerphase bei Eltern mit Abbruch intensivmedizinischer Maßnahmen wich nicht signifikant ab von Eltern ohne eine solche Entscheidung.

Unterschiede bzw. Korrelationen (p<0,05) der PGS bestanden bezüglich (medianer PGS-Score):

  • Geschlecht (Mütter: 63; Väter: 59)

  • Vorher geborene Kinder (51; mit vorgeborenen Kindern: 65)

  • Nachher geborene Kinder (66; mit nachgeborenen Kindern: 59)

  • Zeitraum zwischen Tod des Kindes und Interview

Mütter gaben häufiger als Väter an, dass die Trauer Auswirkungen auf das soziale Umfeld hatte (p=0,03).

95% der Eltern, bei deren Kind künstliche lebensverlängernde Maßnahmen beendet oder nicht eingesetzt wurden, waren der Meinung, dass sie angemessen in die Entscheidung miteinbezogen wurden und 92% gaben an, diese Miteinbeziehung nicht zu bedauern. 85% hatten keine Schuldgefühle wegen der getroffenen Entscheidung. 45% dieser Eltern fühlten sich jedoch in dieser Situation überfordert. 17% der Mütter und 6% der Väter fühlten sich generell schuldig für den Tod ihres Kindes. 60% der Eltern waren anwesend, als ihr Kind verstarb. Das Zugegensein wurde von allen als positiv empfunden. 75% der nicht anwesenden Eltern hätten sich dies im Nachhinein anders gewünscht. Eltern, die keinen Körperkontakt zu ihrem Kind gewünscht hatten (42%), hätten sich diesen in 79% im Nachhinein gewünscht.

Der Wunsch nach einem Gesprächspartner war in den ersten sechs Monaten nach dem Tod des Kindes geringer als im darauffolgenden Zeitraum (Väter 42%; 56% sowie Mütter 68%; 73%). 83% der Mütter und 71% der Väter meinten, dass sich die Beziehung zu ihrem Partner seit dem Tod des Kindes verändert habe, wobei 83% angaben, dass sie das Ereignis einander näher gebracht habe.