Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - P14
DOI: 10.1055/s-2005-871465

Vergiftungen im Kindes- und Jugendalter: Eine Analyse des Informations- und Behandlungszentrum für Vergiftungen des Saarlandes 2003–2004

S Meyer 1, T Polcher 1, G Löffler 1, H Müller 1, H Nunold 1, L Gortner 1
  • 1Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg, D

Hintergrund und Fragestellung: Intoxikationen bei Kleinkindern sind meist durch Unfälle, bei Jugendlichen dagegen meist durch Medikamenteneinnahme im Rahmen eines Suizidversuchs sowie durch Alkohol- und Drogenmissbrauch bedingt. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, aktuelle Daten unseres Informations- und Behandlungszentrum für Vergiftungen über Intoxikationen im Kindes- und Jugendalter zu evaluieren.

Patienten und Methode: Retrospektive Untersuchung der Vergiftungsanfragen in unserem Informations- und Behandlungszentrum für Vergiftungen im Zeitraum 1/03–12/04 sowie der stationär behandelten Patienten. Die Datenerfassung und –auswertung erfolgte mittels der Datenbank ADAM (Auswerte-Dokumentations-Administrations-Modul).

Ergebnisse: Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 2881 Anfragen beantwortet; in der überwiegenden Zahl der Fälle handelte es sich um akute Intoxikationen (n=2588) durch akzidentelle Ingestionen (n=2244) im häuslichen Umfeld (n=2235). Die Aufnahme der Substanz erfolgte meist oral (n=2219). Die Altersgruppen setzten sich wie folgt zusammen: ≤1Jahr: n=356; >1-<6 Jahre: n=1385; ≥6-<14 Jahre: n=182; ≥14<18 Jahre: n=92; ≥ 18 Jahre: n=866. Während es sich bis zum Alter der bis zu 11-jährigen ausschließlich um akzidentelle Vergiftungen handelte, sind Intoxikationen in der Altersgruppe der 12–17-Jährigen zunehmend durch suizidale Handlungen (n=24) bzw. Missbrauch von Rauschmitteln (n=8) bedingt. Im gleichen Zeitraum mussten in unserem Zentrum insgesamt 45 Kinder und Jugendliche (Alter: 1–18 Jahre; Mittelwert: 10,9 Jahre) stationär wegen einer Intoxikation behandelt werden. Schwere, intensivmedizinisch behandelte Vergiftungen (Poisoning Severity Score≥3) waren durch Digitalisglykoside (n=1), Salizylate (n=1), ß-Blocker (n=1), H1-Antihistaminika (n=1) und trizyklische Antidepressiva (n=2) verursacht (5 Suizidversuche; Alter: 15–17 Jahre; Mittelwert: 14 Jahre).

Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse bestätigen Untersuchungen, welche eine deutliche Altersabhängigkeit der unterschiedlichen Ätiologie (akzidentell vs. vorsätzlich) bei Intoxikationen im Kindes- und Jugendalter aufzeigen. Intensivere Präventionsmaßnahmen sind erforderlich, um insbesondere akzidentelle Vergiftungen bei Kleinkindern zu reduzieren. Bei Jugendlichen kommt es im Rahmen von Suizidversuchen häufiger zu schweren, intensivmedizinisch zu therapierenden Vergiftungen; hier kommt insbesondere Kriseninterventionsprogrammen eine besondere Bedeutung zu.