Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - P1
DOI: 10.1055/s-2005-871452

Pränatale Beratung von Schwangeren mit drohender früher Frühgeburt

Z Tomas 1, C Rössler 1, H Hummler 1, W Lindner 1, S Voßbeck 1, KH Brisch 2, F Pohlandt 1
  • 1Sektion Neonatologie und Pädiatr. Intensivmedizin
  • 2Abteilung Psychotherapie und Psychsomatische Medizin, Ulm, D

Fragestellung: Als Neonatologen bieten wir allen Schwangeren mit drohender Frühgeburt vor 28 Wochen und deren Partnern eine Beratung an mit folgenden Zielen: 1. Aufklärung über die Chancen und Risiken des Kindes entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung an die Aufklärung vor medizinischen Eingriffen, damit die werdenden Eltern informiert und autonom über das Vorgehen (lebenserhaltend?) entscheiden können 2. Die Entscheidung der Eltern und deren Hintergrund im direkten Gespräch zu erfahren. Ziel dieser Untersuchung war herauszufinden, ob die Art dieser Beratung die vermutete Angst der Frau beeinflusste.

Methode: Von 8/1997 bis 5/1998 wurden 45 Schwangere mit hinreichenden Sprachkenntnissen gebeten, an der Studie teilzunehmen. 36 willigten ein. Die Gespräche führten 4 im Schwerpunkt Neonatologie qualifizierte Oberärzte. Sie wurden mit Tonband aufgezeichnet und standardisiert ausgewertet (Z.T, C.R.): angesprochene Themen, Sprechzeit des Arztes und der Frau, Interaktion zwischen Arzt und Frau. Die Angst der Schwangeren vor und nach dem Gespräch wurde mit dem State-Trait-Angstinventar-Fragebogen (STAI, Spielberg 1970) erfasst. Nach der Entlassung des Kindes wurden die Mütter noch einmal nach der Erinnerung an das Beratungsgespräch befragt.

Ergebnisse: Das Schwangerschaftsalter bei Beratung betrug 25,1 Wochen (22–24 SSW x, 25–27 SSW y, 28–30 SSW z)., bei Geburt 29,4. Das Gespräch dauerte 29,7min (6,2–70,0), davon entfielen auf den Arzt 20,23min (4,06–45,58) und auf die Frau 6,93min (0,16–40,39). Von den Frauen wurden 6,6 (1–22) Fragen gestellt, von den Ärzten 9,6 (1–24). Die Zahl der Antworten entsprach den Fragen. Die Zahl der benutzen medizinischen Fachausdrücke variierte zwischen den Ärzten zwischen 2,2 und 6,1.Die Beurteilung des Gesprächs aus der Sicht der Frau (Skala 1=nicht zutreffend bis 5=völlig zutreffend) 1.Gespräch hat etwas gebracht 4,12 2.Gespräch informativ 4,36 3.Arzt verständliche Sprache 4,73 4. Gelegenheit Fragen zustellen 4,76 5. Fragen ausreichend beantwortet 4,67 6. Atmosphäre war entspannt 7. Arzt auf Ängste eingegangen 4,21 8. Gespräch Angst gemacht 1,82. Die STAI-Fragebögen ergaben vor der Beratung 53,7 (27–78) und danach 51,7 (32–77). Häufigkeit(%) der Gesprächsinhalte: Überlebenschancen(86), Lungenreifung(83), Beatmung(78), Art der Entbindung(78), Soziale Lage(72), Surfactant(72), Infektionen(69), Hirnblutungen(69). Bei einer retrospektiven Befragung wurden Verbesserungsvorschläge gemacht: 6x mehr auf Angst eingehen, 5x Gespräch zu positiv.

Schlussfolgerung: Ein präpartales Beratungsgespräch in dieser Art über Chancen und Risiken bei früher Frühgeburt verstärkte bei der Mehrzahl der Frauen die Angst nicht. Ob eine Zunahme der Angst bei einer Minderheit von Frauen die Latenz zwischen Gespräch und Geburt verkürzte, ist noch nicht ausgewertet.