Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - V95
DOI: 10.1055/s-2005-871426

ARDS nach Virus-Pneumonie bei einem Säugling mit defekter CD-40-Ligandenexpression

C Fremerey 1, B Wiebe 1, U Pohlmann 1, M Ehlen 1, K v Schnakenburg 1, P Bartmann 1, T Niehues 2
  • 1Asklepios Klinik, St. Augustin
  • 2Zentrum f. Kinderheilkunde, H.-H.-Universität, Düsseldorf, D

Einleitung: Neben Trauma und Inflammation stellen Infektionen die häufigste Ursache eines ARDS im Säuglingsalter dar. Das Immunsystem des Säuglings zeichnet sich durch eine z.T. erhebliche Unreife aus, in seltenen Fällen liegt ein angeborener Immundefekt zugrunde.

Fallbericht: Bislang gesunder 4 1/2 Monate alter männlicher Säugling mit RSV-Bronchiolitis. Im Thoraxröntgenbild bilaterale Dystelektasen, im Verlauf Entwicklung eines beatmungspflichtigen ARDS mit radiologisch weißer Lunge (Murray-Score 3,25). Maximaler PEEP 10cmH20, HFOV, Surfactantinstillation, Inotropika, Steroide und Flüssigkeitsrestriktion. Aufgrund der Schwere des Krankheitsbildes Bestimmung der Immunglobuline: IgG (0,43g/l), IgA (<0,06g/l); normales IgM (0,63g/l). In der FACS-Analyse wiederholt fehlende Expression des CD40-Liganden auf T-Lymphozyten.

Ab der 3. Krankheitswoche positiver CMV-Nachweis (Urin, BAL) mit Zeichen der Leberbeteiligung. Nach wiederholter hochdosierter Ig-Substitution und Beginn einer antiviralen Therapie mit Ganciclovir Verbesserung der Beatmungssituation und Extubation.

Die Bestätigung der Diagnose eines x-chromosomalen Hyper-IgM-Syndroms mittels molekulargenetischer Untersuchung steht noch aus.

Diskussion: Die verminderte CD40-Ligandenexpression im vorliegenden Fall ist pathophysiologisch entweder primär als Unreife oder als Folge eines angeborenen Defektes oder sekundär als Begleitreaktion im Verlauf der schweren Virusinfektion aufzufassen. Das Hyper-IgM-Syndrom (HIGM) steht für eine Gruppe von Erkrankungen, die durch Hypogammaglobulinämie mit fehlender Produktion spezifischer Antikörper und Verminderung von IgG und IgA bei normalem oder erhöhtem IgM charakterisiert sind. Ursache ist eine gestörte T- und B-Zellinteraktion, beim x-chromosomalen HIGM Typ 1 bedingt durch das Fehlen des CD40-Liganden (CD154) auf aktivierten T-Lymphozyten, an den das von antigenpräsentierenden Zellen exprimierte CD40 bindet. Es entsteht ein humoraler oder kombinierter Immundefekt. Die Therapie des CD40-Ligandenmangels besteht in regelmäßiger Immunglobulinsubstitution und antibiotischer Prophylaxe. Kurativ ist lediglich die Knochenmarktransplantation.

Gerade im Säuglingsalter muss bei ungewöhnlich schwer verlaufenden Atemwegserkrankungen eine bislang nicht bekannte Grunderkrankung bedacht werden. Ein möglicher Algorithmus könnte Differentialblutbild, erweiterte mikrobiologische Diagnostik inkl. Suche nach opportunistischen Erregern und HIV beinhalten. Bei auffälligen immunologischen Parametern sind Lymphozyten-Oberflächenmarker mit FACS-Analyse zu untersuchen. Bis zur ätiologischen Klärung sollte ausschließlich bestrahltes Erythrozytenkonzentrat verabreicht werden.

Zusammenfassung: Im Säuglingsalter muss bei schwerem Verlauf einer Infektionskrankheit frühzeitig an das Vorliegen eines Immundefektes gedacht werden. Eine entsprechende Diagnostik ermöglicht therapeutische Konsequenzen, wie Ig-Substitution, antibiotische Prophylaxe und Bestrahlung zu verabreichender Blutprodukte.