Die deutschen Empfehlungen von 1998 für die Behandlung von extrem kleinen Frühgeborenen differenzieren auf der Grundlage von Ergebnissen aus den Jahren 1995–7 zwischen der Behandlung von Frühgeborenen, die zwischen 22+0–23+6 und 24+0–6 Schwangerschaftswochen p.m. (SSW) geboren werden. Die der Leitlinie zugrunde liegenden Untersuchungen beziffern die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Frühgeborenen des Gestationsalter (GA) von 22+0–23+6 SSW mit <20%, demgegenüber erreicht die Überlebenschance 60–80% bei Frühgeborenen mit 24SSW und älter.
Null-Hypothese: Zwischen Frühgeborenen der GA-Gruppen 22+0–23+6 versus 24+ 0–6 SSW mit intensivmedizinischer Versorgung im Kreißsaal bestand 1999–2003 hinsichtlich ihrer Kurzzeitprognose kein Unterschied.
Methodik: Kohortenstudie von Frühgeborenen des GA 22+0–24+6 SSW, die in 3 Perinatalzentren Deutschlands zwischen 1.1.1999 und 31.12.2003 geboren wurden. Vergleichende Analyse der Kurzzeitprognose (Überleben bis zur stationären Entlassung, BPD, ROP>Grad 2 mit Therapie, ICH Grad 3 / 4 und/oder PVL) bezogen auf die beiden GA-Gruppen (Chi-Quadrat Test, *=p<0,05).
Ergebnisse: Insgesamt wurden 320 Kinder zwischen 22+0–24+6 SSW geboren, davon 203 Kinder im Kreißsaal primär intensivmedizinisch versorgt (61,5%). Die Kinder mit intensivmedizinischer Primärversorgung der beiden GA-Gruppen (22+0–23+6 SSW: n=82; 24+0–6 SSW n=121) unterscheiden sich signifikant hinsichtlich des Anteils einer vollständigen antenatalen Steroidprophylaxe (44 vs. 62%; p=0,012) und des Geburtsmodus Sectio cesarea (51 vs. 70%, p=0,004). Hinsichtlich der Häufigkeit einer partiellen antenatalen Steroidprophylaxe und der vermuteten Risikofaktoren Geburtsgewicht, männliches Geschlecht, Mehrlingsschwangerschaft, vorzeitiger Blasensprung und AIS bestand kein signifikanter Unterschied zwischen beiden GA-Gruppen. Das Risiko zu sterben war nach 22+0–23+6 SSW um 14% [3; 28] höher als mit 24 SSW (RR 1,81 [1,11;2,95]) (Tabelle, Prozentangaben mit 95% Konfidenzinterval). Bei 6 Frühgeborenen der GA-Gruppe 22+0–23+6 und 2 Kindern mit 24+0–6 SSW wurde sekundär eine palliative Therapie eingeleitet. 6 der 54 überlebenden Kinder des GA 22+0–23+6 SSW (11% [5; 23]) und 14 der 99 überlebenden Kinder des GA 24+0–6 SSW (14% [9; 23]) haben eine höhergradige ICH bzw. PVL entwickelt (p=0,9). Ebenfalls nicht unterschieden haben sich die Häufigkeiten einer BPD und einer therapiebedürftigen ROP bezogen auf die überlebenden Kinder (p=0,38 bzw. p=0,66).
Schlussfolgerung: Folgt die Behandlung dem Grundsatz der Empfehlung von 1998 und werden Leben erhaltende Maßnahmen ergriffen, auch wenn nur eine kleine Chance des Überlebens besteht, so überleben heute auch viele Kinder, die mit einem Schwangerschaftsalter von 22+0–23+6 Wochen geboren werden. Deren Kurzzeitprognose ist ähnlich wie die Frühgeborener bei 24+0–6SSW. Die aktuellen Überlebensraten von FG mit einem GA von 22+0–23+6 SSW liegen in den 3 Zentren deutlich über den Angaben aus den Jahren 1995–7.
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Gesamt
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22–23 SSWn=82
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24 SSWn=121
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Überleben
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76% [69; 81]
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67% [56; 76] *
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81% [74; 88]
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ICH / PVL und/oder Tod
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36% [30; 43]
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43% [33; 53]
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30% [23; 39]
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ROP>II° u/o Tod
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47% [40; 54]
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51% [41; 62]
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44% [36; 54]
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BPD u/o Tod
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59% [52; 66]
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60% [50; 70]
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58% [49; 66]
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