Zentralbl Gynakol 2005; 127 - FV2_9
DOI: 10.1055/s-2005-870755

Schwangerschaftsverlauf nach Cerclage bzw. totalem Muttermundsverschluss

E Jacobi 1, M Korell 1
  • 1Duisburg

Fragestellung: Trotz verbesserter neonatologischer Versorgung bedeutet Frühgeburtlichkeit in Abhängigkeit vom SS-Alter ein hohes Risiko bezüglich kindl. Mortalität und Morbidität. Seit langem wird die Anlage einer Cerclage bei vorzeitiger Wehentätigkeit bzw. Zervixinsuffizienz durchgeführt. Von Saling wurde 1981 der totale Muttermundsverschluss (TMMV) zur Prävention bzw. zur Therapie der Zervixinsuffizienz vorgeschlagen.

Wir haben retrospektiv die Schwangerschaftsverläufe nach Cerclage bzw. TMMV ausgewertet, um die Effektivität beider Verfahren bezüglich der Tragzeitverlängerung zu überprüfen.

Methodik: Im Zeitraum von 12/99 bis 2/04 betreuten wir insgesamt 68 Patientinnen mit unterschiedlich ausgeprägter Zervixinsuffizienz, bei denen in 47 Fällen eine Cerclage und in 21 Fällen ein TMMV durchgeführt wurde.

Zum Zeitpunkt der OP waren die Frauen im Schnitt in der 22+0 SSW (13+3 bis 30+0 SSW), wobei sich die Patientinnen mit Cerclage (22+1 SSW 14+2 bis 28+5 SSW) nicht signifikant von denen mit TMMV (21+5 SSW; 13+3 bis 30+0 SSW) unterschieden. Dagegen waren die geburtshilflichen Befunde der Patientinnen bei beiden OP-Verfahren komplett verschieden. Während die Cerclage zumeist bei prospektivem Risiko (Anamnese, Mehrlinge etc.) erfolgte, wurde der TMMV auch bei akuter Frühgeburtlichkeit wie z.B. prolabierender Fruchtblase oder PROM eingesetzt – in zwei Fällen nach Spätabort des ersten Geminus.

Ergebnisse: Insgesamt konnte eine Verlängerung der Schwangerschaft von 0 bis max. 177 Tagen erreicht werden. Das SS-Alter bei Entbindung umfasste eine Spanne von 19+1 bis 41+0 SSW.

Nach Anlage der Cerclage vergingen durchschnittlich 89 Tage (0 bis 158 Tage) bis zur Entbindung. Trotz der Durchführung des TMMV auch bei weit fortgeschrittenen geburtshilflichen Befunden ergab sich nach TMMV eine Tragzeitverlängerung von im Schnitt 65 Tagen (1 bis 177 Tage).

Ein Vorteil des TMMV gegenüber der Cerclage zeigte sich besonders bei prophylaktisch durchgeführten Eingriffen. Nach TMMV konnte hier eine Tragzeitverlängerung von über 20 Wochen (13+4 bis 25+2) gegenüber 13 Wochen (6+6 bis 21+4 Tage) nach der Cerclage erreicht werden. Dies führte zu einem deutlich späteren Entbindungszeitpunkt: 37+4 SSW nach TMMV gegenüber 33+3 nach Cerclage.

Schlussfolgerung: Der Einsatz der Cerclage bzw. des totalen Muttermundverschlusses (TMMV) zur Therapie bzw. Prävention bei Zervixinsuffizienz bleibt weiterhin umstritten und muss individuell kritisch indiziert werden.

Unsere Ergebnisse belegen jedoch die Effektivität gerade des TMMV. Besonders bei prophylaktischer Indikation ist die erzielte Tragzeitverlängerung im Vergleich zur Cerclage deutlich höher. Zudem kann gerade in schwierigen geburtshilflichen Situationen wie z.B. prolabierende Fruchtblase bei extremer Frühgeburtlichkeit durch den Einsatz des TMMV oft eine erhebliche Tragzeitverlängerung erzielt werden. Dies ermöglicht kindliches Überleben in Einzelfällen sogar nach Spätabort des ersten Geminus.