Zentralbl Gynakol 2005; 127 - V63
DOI: 10.1055/s-2005-870728

Zweizeitige Entbindung mit Notfallcerclage bei Drillingsgravidität

A Reitter 1, B Sauter 1, H Buxmann 2, K Bauer 2, F Louwen 1
  • 1Universitätsfrauenklinik Frankfurt am Main
  • 2Universitätskinderklinik Frankfurt am Main

Einleitung: Im Fall von Geburtsbestrebungen kann bei einer extrem unreifen höhergradigen Mehrlingsgravidität eine zweizeitige Entbindung angestrebt werden.

Fall 1: Anamnese: Pat. N.K., 36 Jahre, G7 P1, stellt sich bei Spontankonzeption einer Drillingsgravidität in der 11+0 Schwangerschaftswoche (SSW) vor. 1994 Forzepsentbindung, des weiteren fünf Abruptiones. Keine Vorerkrankungen oder Operationen. Es zeigt sich eine dichoriale triamniote Drillingsgravidität.

Schwangerschaftsverlauf: Regelrechtes Wachstum aller drei Feten. Fehlbildungsausschluss und Cervixlänge sind unauffällig. In der 23+4 SSW Aufnahme mit vorzeitiger Wehentätigkeit. Cervixlänge 2cm, Durchführung einer Cerclage unter Tokolyse. Perioperativ Ampicillin bei vaginalen β hämolysierenden Streptokokken. Durchführung einer RDS Prophylaxe. Ab der 25+3 SSW Verkürzung der Cervix, in der 25+6 SSW Blasensprung des führenden Trigeminus. Entfernung der Cerclage und rascher Spontanpartus des 1. Drillings (weiblich, Gewicht 840g). Im Anschluss Durchführung einer Notfallcerclage nach McDonald, die Nabelschnur wird ligiert und die Plazenta belassen.

Zwanzig Tage später, in der 28+6 SSW wird bei tachykardem CTG und Verdacht auf Amnioninfektionssyndrom eine Sectio caesarea durchgeführt. Entbindung von zwei Jungen (Gewicht 1110g und 1210g). Entlassung der Patientin nach sechs Tagen. Plazentahistologie: Zeichen einer Entzündung sonst unauffällig.

Der neonatologische Verlauf für das in der 26+2 SSW geborenen Mädchen und für die in der 28+6 SSW geborenen Jungen ist günstig, die Kinder haben sich gut entwickelt und zeigen bisher keine bleibende Schädigungen.

Fall 2: Anamnese: Frau A. T., 31 Jahre, G 1 P0, Aufnahme in der 24+2 SSW bei bekannter Drillingsgravidität nach IVF. Beim führenden Drilling Blasensprung seit der 18. SSW und Anhydramnie. Keine weiteren Vorerkrankungen und unauffällige Anamnese. Sonographisch Bild einer trichorialen triamnioten Drillingsgravidität.

Schwangerschaftsverlauf: Bei Aufnahme erhöhte Entzündungswerte, Durchführung einer RDS Prophylaxe. In der 24+5 SSW zunehmende Wehentätigkeit und Muttermundseröffnung. Bei vollständigen Muttermund und Querlage Extraktion des ersten Drillings. Direkt nach dem Partus wird unter Tokolyse, Ligation der Nabelschnur und Belassen der Plazenta eine Notfallcerclage nach McDonald durchgeführt. Das Frühgeborene (780g, weiblich) verstirbt 13 Stunden postpartal bei hypoplastischer Lunge und schwerem Atemnotsyndrom.

Engmaschige Überwachung, in der 25+1 SSW Entwicklung von Wehen und Fieber, Durchführung einer Sectio caesarea. Entlassung am sechsten postoperativen Tag. Die Plazentahistologie: Bild einer Entzündung ohne weitere Auffälligkeiten.

Der zweite Drilling (740g, weiblich) verstirbt am sechsten Lebenstag bei schwerer Infektion (Enterococcus faecalis) und intracerebraler Blutung.

Der dritte Drilling (800g, männlich) überlebt die initiale Infektion mit Enterococcus faecalis und ist zur Zeit in intensivmedizinischer Betreuung. Er zeigt rezidivierende Infektionen.

Diskussion:

Der vorgestellte erste Fall zeigt, dass eine zweizeitige Entbindung bei Mehrlingen, bei engmaschiger klinischer Überwachung der Schwangerschaft möglich ist und einen günstigen Verlauf nehmen kann. Der zweite Fall zeigt aber die Risiken der Infektion für die in utero verbleibenden Feten.

Bei extremer Unreife der Feten kann die Verlängerung der Schwangerschaft um wenige Tage die Prognose der Kinder deutlich verbessern. In der Literatur gibt es nur wenige retrospektive Fallsammlungen, in allen beschriebenen Fällen von zweizeitiger Entbindung einer Drillingsgravidität konnte nun erst zum zweiten Mal ein Überleben aller Kinder dokumentiert werden.