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DOI: 10.1055/s-2005-870635
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Riesenzellarteriitis
Giant Cell ArteritisPublication History
Publication Date:
16 June 2005 (online)
Eine 61-jährige Patientin wird uns zur Abklärung bei fehlenden Handgelenkspulsen, kaum messbarem Blutdruck und allgemeiner Müdigkeit zugewiesen. Die Anamnese ergibt eine seit 3 Wochen bestehende Armclaudicatio, gleichzeitig aufgetreten mit Abgeschlagenheit und ab und zu einem parietalen Kopfschmerz. Im Labor fielen eine erhöhte Senkungsreaktion (40 mm/h), ein CRP von 20 mg/l (Norm < 0,5) und eine leichte Thrombozytose auf.
Abb. 1: Längerstreckige Einengung am Übergang Arteria subclavia/axillaris durch relativ homogene, echoarme, großteils konzentrische Wandverdickung (ohne Verkalkung). Farbumschlag an der engsten Stelle (hochgradige Stenose). Befund typisch für eine Vaskulitis der großen Arterien.
Fig. 1: The area where the axillary artery branches off from the subclavian artery shows a longsegment stenosis, caused by a relatively homogeneous hypoechoic and mostly concentric thickening of the vessel wall (without sclerosis). Colour change at the narrowest point (high-grade stenosis). This finding is typical of vasculitis of the great arteries.
Die Duplexsonographie ergab keine Stenosierung an den Carotiden, jedoch eine leichte homogene, glattwandige Verdickung der A. carotis communis. Die Aa. subclaviae waren proximal unauffällig, in den distalen Aa. subclaviae und Aa. axillares fanden sich zum Teil geschichtete, homogene Wandverdickungen mit längerstreckigen, rechts ausgeprägteren Stenosierungen. Weiter fand sich eine typische vaskulitisverdächtige Wandverdickung in der Aorta abdominalis, währenddem die Femoralarterien- sowie die Temporalarterien-Untersuchung unauffällig erschien. Ergänzend wurde eine MR-Untersuchung der Abdominal- und Beckenarterien durchgeführt, welche die zirkuläre Wandverdickung der abdominalen Aorta bis zur Bifurkation bestätigte. Die Ganzkörper-Positronen- Emissions- Tomographie (PET) zeigte floride entzündliche Veränderungen der Carotiden, der Aa. subclaviae und Aa. axillares sowie eine mäßige Anreicherung in der thorakalen Aorta. Die abdominale Aorta war unauffällig. Eine Temporalarterien-Bi-opsie bestätigte schlussendlich die Diagnose einer Riesenzellarteriitis. Unter hochdosierter Steroidtherapie kam es zu einer raschen Besserung der Klinik und nach einer Woche zur Normalisierung der Entzündungsparameter.
Abb. 2: Distale Arteria subclavia mit Seitenästen. Konische Verengung gegen Peripherie.
Fig. 2: Distal subclavian artery with branches. Conical narrowing towards the periphery.
Abb. 3: Übergang Arteria subclavia/axillaris. Höhergradige Stenose im Bereich des Farbumschlages.
Fig. 3: Bifurcation of the subclavian/axillary artery. High-grade stenosis in the area of colour change.
Abb. 4: Arteria axillaris mit schmalem Restlumen, bedingt durch konzentrische Wandverdickung.
Fig. 4: Narrowed lumen of the axillary artery, caused by concentric thickening of the vessel wall.
Die Riesenzellarteriitis (RZA) - oder auch Arteriitis temporalis (AT) - ist zusammen mit der Takayasu-Arteriitis eine chronisch-entzündliche Erkrankung der mittleren und großen Arterien. Sie ist häufig vergesellschaftet mit einer Polymyalgia rheumatica. Eine gemeinsame vaskulitische Grundlage für beide Manifestationen wird postuliert. Wie aus der Nomenklatur abzuleiten, richtet sich der diagnostische Fokus immer noch auf den (histologischen) Nachweis der Vaskulitis an der Temporalarterie.
Seit einigen Jahren ist bekannt, dass die Sonographie der Temporalarterie unter Umständen einen wertvollen Beitrag in der Diagnostik leisten kann. Nach einer vielversprechenden Publikation ([1]) hat es allerdings einige Jahre gedauert, bis weitere Publikationen dazu erschienen sind. Die Wertigkeit der 3 sonographischen Kriterien - des sogenannten dunklen Halo, der Stenose und des Verschlusses der Temporalarterie - wurde kürzlich in einer Metaanalyse zusammengefasst ([2]). Sensitivität und Spezifität des Halo-Zeichens lagen bei 69% respektive 82% gemessen an der Biopsie, 55% respektive 94% gemessen an den ACR-Kriterien. Die Konklusion der Autoren war, dass die Sonographie in der Diagnostik hilfreich sein kann, das Resultat aber vor allem im Kontext mit der Klinik und der Vortestwahrscheinlichkeit gewertet werden muss. Diese Schlussfolgerung, zusammen mit der Forderung des Protagonisten der sonographischen RZA-Diagnostik an der Temporalarterie, dass mindestens 100 Temporalarterien untersucht werden sollten, bevor erstmals ein Patient beurteilt wird, ist angesichts der mittlerweile relativ großzügigen Anwendung dieser Untersuchung doch etwas ernüchternd ([3], [4]).
Die Konzentrierung auf die Temporalarterie hat vergessen lassen, dass es sich bei der AT respektive RZA um eine Vaskulitis der mittleren und großen Arterien handelt. Publikationen über den symptomatischen Befall von anderen Arterien als den Temporalarterien sind spärlich ([5]). Dies ist erstaunlich, da die bekanntermaßen am häufigsten betroffenen größeren supraaortalen Arterien nicht nur der Sonographie gut zugänglich sind, sondern auch aus anderen Gründen sehr häufig untersucht werden ([6], [7]). Die immer mehr aufkommende PET-Diagnostik zeigt bei Verdacht auf RZA signifikant häufiger einen positiven Befund an großen thorakalen Arterien (inkl. Armarterien) und Beinarterien als bei Kontrollen ([8]). Der sonographische Aspekt der vaskulitischen Veränderungen ist typisch mit einer homogenen, relativ echoarmen, konzentrischen Verdickung der Intima/Mediaschicht, im fortgeschritteneren Stadium verbunden mit häufig langstreckigen Stenosen (vgl. unser Bild, [8]). In einer ersten, kleinen Serie von Patienten, welche sowohl mit Ultraschall als auch mit PET untersucht worden sind, wurde eine exzellente Korrelation dieser beiden Methoden gefunden ([9]). Dies muss sicher noch bestätigt werden, andererseits ist ein klaßischer Befund an den großen Arterien, wie bei unserer Patientin, für das Vorliegen einer Vaskulitis so typisch, dass an der Diagnose Vaskulitis nicht gezweifelt werden kann. Der Zugang zu diesen größeren Arterien ist einfach und die Erfahrung bei den entsprechenden Arteriensegmenten viel größer als bei der Temporalarterie, so dass zumindest die Beurteilung der A. subclavia/A. axillaris bei Verdacht auf Riesenzellarteriitis auch ohne entsprechende Klinik in die Routineabklärung aufgenommen werden kann.
Literatur
- 1 Schmidt WA . Kraft HE . Vorpahl K . et al. . Color duplex ultrasonography in the diagnosis of temporal arteritis. New Engl J Med. 1997; 337 1336-1342
- 2 Karassa FB . Matsagas MI . Schmidt WA . Ioannidis JPA . Meta-Analysis: Test performance of ultrasonography for giant-cell arteritis. Ann Int Med. 2005; 142 359-369
- 3 Seitz K . Über die Qualität sonographischer Diagnostik - ein Dauerproblem zwischen Realität und Satire. Ultraschall in Med. 2003; 24 375-376
- 4 Schmidt WA . Blcokmans D . Use of ultrasonography and positron emission tomography in the diagnosis and assessment of large-vessel vasculitis. Curr Opin Rheumatol. 2004; 17 9-15
- 5 Le Hello C . Levesque H . Jeanton M . et al. . Lower limb giant cell arteritis and temporal arteritis. J Rheumatol. 2001; 28 1407-1412
- 6 Jäger KA . Frühzeitige Erkennung der Arteriosklerose. Ultraschall in Med. 2003; 24 151-152
- 7 Arning C . Hammer F . Kortmann H . Hahm H . Müller-Jensen A . Lachenmayer L . Quantifying Stenosis of the Internal Carotid Artery: Which Ultrasound Criteria are relevant?. Ultraschall in Med. 2003; 24 233-238
- 8 Blockmans D . Strootbands S . Maes A . et al. . Positron emission tomography in giant cell arteritis and polymyaligia rheumatica: Evidence for inflammation of the aortic arch. Am J Med. 2000; 108 246-249
- 9 Brodmann M . Lipp RW . Passath A . et al. . The role of 2-18F-fluoro-2-deoxy-D-glucose positron emission tomography in the diagnosis of giant cell arteritis of the temporal arteries. Rheumatology. 2004; 43 241-242