Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2005; 31(4): B 185
DOI: 10.1055/s-2005-869440
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

MOSES-Studie - Effektive Sekundärprävention nach einem Schlaganfall

Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
09. Mai 2005 (online)

 

In den meisten Studien zur Wirksamkeit blutdrucksenkender Regime ist die Anzahl der Schlaganfälle sehr viel höher als die der kardiovaskulären Ereignisse, betont Prof. Jürgen Scholze aus der Charité in Berlin bei einer Veranstaltung der Firma Trommsdorf im Dezember 2004 zur Vorstellung der Ergebnisse der MOSES-Studie. "Sind wir so schlecht bei der Blutdrucksenkung", fragt er kritisch und weist darauf hin, dass die höchste Inzidenz der Schlaganfälle bei Patienten mit isoliertem systolischen Blutdruck auftritt.

Ein Paradigmenwechsel sei notwendig: Bei jüngeren Patienten sei die Höhe des Blutdrucks entscheidend, etwa ab dem 50. Lebensjahr müsse man sehr viel stärker auch den so genannten "Pulse pressure" im Auge haben, die Differenz zwischen dem diastolischen und dem systolischen Druck. Beide - die absolute Höhe des systolischen Drucks und der Pulse pressure - dominieren dann das Risiko. Der erhöhte Pulse pressure wird vor allem durch eine im Alter zunehmende Gefäßsteifigkeit verursacht, Werte über 60 mmHg sind äußerst bedenklich. Dann müsse man prüfen, welches Mittel zur Therapie sinnvoll sei, denn nicht allein die Drucksenkung sei entscheidend. Zwar liege darauf nach wie vor das Primat, beim Europäischen Kardiologiekongress 2004 präsentierte aber Messerli (New Orleans) eine Studienübersicht, wonach bei gleicher Drucksenkung AT1-Antagonisten, Diuretika und Kalziumantagonisten den Betablockern und ACE-Hemmern in der Zerebroprotektion überlegen sind. In der LIFE-Studie brachte das Sartan bei gleich guter Drucksenkung eine frühere und stärkere Risikoreduktion als der Betablocker. Und die Bedeutung des systolischen Drucks ist seit der SYST-EUR evident, der Kalziumantagonist Nitrendipin konnte in dieser großen Studie an 4695 Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie das Schlaganfallrisiko um 42% senken.

Das Nitrendipin wurde deshalb in der MOSES-Studie (Morbidität und Mortalität nach Schlaganfall - Eprosartan vs. Nitrendipin zur Sekundärprophylaxe) als Vergleichssubstanz gewählt. Die Studienhypothese lautete, dass das Sartan bei hypertensiven Schlaganfallpatienten bei gleicher Drucksenkung in der Reduktion zerebrovaskulärer und kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität effektiver ist als der Kalziumantagonist, berichtet Studienleiter Prof. Joachim Schrader aus Cloppenburg. Es handelt sich also bei MOSES um eine der wenigen nicht in Deutschland durchgeführten Endpunktstudien. Und dazu auch noch auf einem Gebiet, auf dem die Datenlage dringend verbessert werden muss - die Sekundärprävention nach einem erlittenen Schlaganfall.

Der AT1-Antagonist Eprosartan (Emestar®) wurde für die Studie ausgewählt, weil präklinische Ergebnisse auf eine erhöhte zerebroprotektive Wirkung schließen ließen. Außerdem weist Eprosartan im Experiment eine sympathikusdämpfende Wirkung auf, die durch die zusätzliche Blockade der präsynaptischen AT1-Rezeptoren vermittelt wird. Ein weiterer Vorteil der Substanz ist, dass sie nicht über das Zytochrom P 450-System abgebaut wird, sonders mittels Glucoronidierung - Interaktionen mit vielen häufig eingesetzten Medikamenten können deshalb nicht auftreten. Experimentell belegt sind auch als so genannte pleiotrope Wirkungen der AT1-Antagonisten antiinflammatorische und antiaggregatorische Effekte.

In die MOSES-Studie wurden 1405 hypertone Patienten (710 unter Eprosartan, 695 unter Nitrendipin) aufgenommen, bei denen in den letzten 24 Monaten ein zerebrales Ereignis (TIA, PRIND, Schlaganfall, zerebrale Blutung) aufgetreten war. Die beiden Gruppen waren hinsichtlich der Vormedikation, der Blutdruckwerte, der Herzfrequenz, der Art des zerebrovaskulären Ereignisses und des neurologischen Scores gut vergleichbar. Therapieziel war ein Blutdruckwert unter 140/90 mmHg. Bei über 65-jährigen Patienten mit systolischer Hypertonie wurde eine Reduktion um mindestens 20 mmHg angestrebt. Bei nicht ausreichender Senkung unter der Monotherapie (600 mg Eprosartan oder 10-20 mg Nitrendipin) war eine Kombinationstherapie nach den Richtlinien der Hochdruckliga erlaubt - dabei wurde eine Kombination mit Kalziumantagonisten, ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten ausgeschlossen. Die Nachverfolgungszeit betrug zwei bis vier (im Mittel 2,5) Jahre.

Die Blutdruckkontrolle war in beiden Gruppen vergleichbar: Nach drei Monaten hatten 75% der Patienten unter Eprosartan (71,1% am Studienende) und 77,7% unter Nitrendipin (72,5% am Studienende) den Zielwert von 140/90 mmHg erreicht. Nahezu 70% der Patienten erhielten eine Kombinationstherapie, meist ein Diuretikum (Eprosartan 46,5%, Nitrendipin 45,9%). Dennoch divergierten bereits ein Jahr nach Start der Studie die Kaplan-Meier-Kurven deutlich. Am Studienende waren unter der Therapie mit Eprosartan 206 Ereignisse aufgetreten, unter Nitrendipin waren es 255 - ein Unterschied von 21% zugunsten des Sartans (p = 0,014). Bei alleiniger Betrachtung der zerebrovaskulären Ereignisse ist der Vorteil der Eprosartan-Patienten mit einem Rückgang von 25% (p= 0,02) noch größer (102 vs. 134 Ereignisse). Primäre kardiovaskuläre Ereignisse traten bei 60 Patienten der Eprosartan-Gruppe und bei 84 Patienten in der Kalziumantagonisten-Gruppe auf (-30%, p = 0,03). In dieser ersten Studie, in der zwei Antihypertensiva in der Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls miteinander verglichen wurden, sprechen also signifikante Ergebnisse für das Eprosartan, fasst Schrader zusammen. Der AT1-Antagonist ist dem Kalziumantagonisten trotz vergleichbarer Blutdrucksenkung signifikant überlegen.

    >