Einleitung: Der ESS-Fragebogen wurde in der Weise konstruiert, dass die Schlafneigung (sleep
propensity) bei 8 spezifischen Situationen mit unterschiedlichem Wachdruck (wake drive)
in der letzten Zeit abgefragt wird. Aus den 8 Items leitet sich die durchschnittliche
Schlafneigung(average sleep propensity) ab. Ihr Vorteil liegt in der Möglichkeit,
verschiedene Situationen des täglichen Lebens hinsichtlich Schlafneigung zu beschreiben.
Eine Analyse der einzelnen Items im Bereich aller Altersklassen von Erwachsenen wurde
bis jetzt noch nicht durchgeführt. Wir untersuchten deshalb die unterschiedliche Einschätzung
der Schlafneigung von Normalpersonen anhand der ESS-Skala von 0 bis 3. Die ESS enthält
Fragen mit Situationen, die auch bei Personen mit generell geringer subjektiver Schläfrigkeit
mit hoher Schlafneigung assoziiert sind (Frage 5: am Nachmittag hinlegen, Frage 2:
Fernsehen). Es sollte deshalb überprüft werden, ob es im Hinblick auf pathologische
Schlafneigung sinnvoll ist, alle 8 Fragen zu berücksichtigen. Methodik: Untersucht wurden 210 männliche Studienteilnehmer, mittleres Alter 45,3±14,5 Jahre.
Die Probanden wurden mittels Zeitungsannonce rekrutiert und anhand einer klinischen
Untersuchung ausgewählt. Sowohl anamnestisch als auch mit dem „Functional outcomes
of sleep questionnaire“ (FOSQ) gemessen wiesen sie keine Schlafstörung mit funktionellen
Auswirkungen auf. Benutzt wurde die von der DGSM vorgeschlagene Fassung der ESS. Die
Auswertung der Daten erfolgte anhand von Altersdekaden zwischen 20–70 Jahren. Ergebnisse: Der ESS-Score bei allen Probanden lag bei 5,95±3,2. Zwischen den einzelnen Altersdekaden
fand sich kein signifikanter Unterschied. Score 2 und 3 bei Frage 5: Schlafneigung
während Hinlegen am Nachmittag wurde von 41% und bei Frage 2: Schlafneigung während
Fernsehen von 30,6% angegeben (Siehe Abb. 1). Wird eine neue Skala mit weniger Fragen
formuliert, ergibt sich ein geringerer ESS6-Mittelwert mit geringerer Standardabweichung.
Abb.: Prozentuale Häufigkeit der Punktevergabe 2 und 3 bei den 8 Fragen der Epworth-Sleepiness-Scale
in aufsteigender Reihenfolge.
Schlussfolgerungen: Überraschend fand sich keine unterschiedliche Schlafneigung zwischen jüngeren und
älteren Probanden. Mit weniger Fragen, die gezielt eine erhöhte Schläfrigkeit erfassen,
dürfte eine schärfere Abgrenzung zum unauffälligen Referenzbereich möglich sein.