Pneumologie 2005; 59 - 3
DOI: 10.1055/s-2005-867150

Vergleich von Polygraphie (automatisch bzw. manuell bewertet) und Polysomnographie – eine prospektive Studie

H Hein 1, S Betge 1, G Kuziek 1, A Wewel 1, B Schucher 1, H Magnussen 1
  • 1Krankenhaus Großhansdorf; Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, Großhansdorf

Einleitung: Die Polysomnographie gilt als Goldstandard zur Differentialdiagnose schlafbezogener Atmungsstörungen. Seit langem wird versucht, dieses aufwändige Verfahren durch einfachere Untersuchungsmethoden zu ersetzen. Wir verglichen daher prospektiv die Ergebnisse stationärer 7-Kanal Polygraphien und stationärer Polysomnographien. Methodik: Über einen Zeitraum von 2 Monaten wurden prospektiv die Polysomnographien bei allen in unserem Schlaflabor erstmals untersuchten Patienten nach einem festen Schema mehrfach analysiert. Um eine Polygraphie zu simulieren, wurde als erstes eine automatische Analyse ausschließlich der Atmungskanäle (Thermistorflow, Schnarchgeräusch, Atmungsbewegungen Thorax/Abdomen, Sauerstoffsättigung, Pulsfrequenz, Körperlage) von „Licht aus“ bis „Licht an“ durchgeführt. In einem zweiten Schritt erfolgte über den gleichen Zeitraum unter ausschließlicher Sicht der o.g. Kanäle eine manuelle Auswertung der respiratorischen Störungen, nach gängigen Kriterien (AASM, Wisconsin-Criteria). Im dritten Schritt wurde die komplette Polysomnographie bewertet, unter Kenntnis und Sicht aller Kanäle (EEG C3A2/C4A1, EOG bds., EMG Kinn/Mm. tibiales bds., nasaler Druckverlauf, Thermistorflow, Schnarchgeräusche, Atmungsbewegungen Thorax/Abdomen, Sauerstoffsättigung, EKG, Pulsfrequenz, Körperlage, Video, Audio) und nach international akzeptierten Kriterien (Schlaf: Rechtschaffen und Kales, Arousals: ASDA, Atmung: AASM, Wisconsin-Criteria). Ergebnisse: Die Ergebnisse von 179 zur Erstuntersuchung eingewiesenen Patienten (49 Frauen, 130 Männer, Alter 58±12 Jahre, Body-Mass-Index 31±6kg/m2) sind in der Tabelle aufgeführt.

AHI [/h]

Polygraphie automatische Auswertung

PolygraphieHandauswertung

Polysomnographie

Mittelwert

(Standardabweichung)

25,6±18,2

18,8,±19,9

24,1±22,7

Differenz PSG-Polygraphie

(MW/Std.)

–1,5±10,2

5,2±8,6

Korrelationskoeffizient zur PSG

0,896

0,925

Bei niedrigen AHI-Werten (Polysomnographie als Goldstandard) sind die mittels automatischer Polygraphie gemessenen AHI falsch niedrig. Bei hohen AHI-Werten wird der wahre AHI eher überschätzt (s. Bland-Altman-Plots). Wäre ein AHI >30/h als Grenzwert für bzw. gegen eine Entscheidung weiterer therapeutischer Maßnahmen zugrunde gelegt, würden durch Anwendung beider Polygraphieverfahren jeweils 18 von 179 Patienten (10%) falsch klassifiziert werden. Im Fall der automatischen Analyse der Polygraphie würden 6 Patienten unterversorgt und 12 Patienten überversorgt werden. Bei Handauswertung der Polygraphie wären 17 Patienten unter- und 1 Patient überversorgt. Diskussion: Die Mittelwerte des Apnoe-Hypopnoe-Index der Polygraphie und der automatischen Auswertung der Polygraphie sind ähnlich. Die Bland-Altman-Plot-Bilder offenbaren aber erhebliche Unterschiede:

Durch Einbeziehen der Schlafstadien und EEG-Arousals können Hypopnoen, die nur zu Arousals führen, erkannt werden. Fehlen diese Hypopnoen, ist der AHI falsch niedrig. Dies spielt v.a. bei leichtgradigen schlafbezogenen Atmungsstörungen eine Rolle. Auch können Wachphasen aus der Analyse entfernt werden. Werden Wachphasen mit in die Kalkulation des AHI einbezogen, ist dieser falsch niedrig. Wachphasen können aber auch zu Bewegungsartefakten führen, die möglicherweise in der Polygraphie als Atmungsstörung gedeutet werden. Der resultierende AHI wäre dann falsch hoch. Die Rate von 10% unzureichend klassifizierter Patienten ist hoch. Die Bland-Altman-Plots zeigen, dass für Patienten aller Schweregrade eine zuverlässige Entscheidung für die einzuleitende Therapie nur über eine Polysomnographie möglich ist.