Hintergrund und Ziel: Ausgeprägte Riechstörungen sind ein frühes Kardinalsymptom des idiopathischen Parkinson-Syndroms
(IPS) und werden bei 80–90% der Patienten beobachtet. Sie entwickeln sich offensichtlich
Jahre vor Erstmanifeststion der motorischen Defizite und sind dann unabhaengig von
Krankheitsdauer, Stadium des IPS, klinischem Subtyp oder Antiparkinson-Medikation.
Ihre differenzialdiagnostische Bedeutung unterstrichen G. Wenning und Mitarbeiter
bereits 1995, indem sie nachweisen konnten, dass Patienten mit Multisystematrophie
(MSA) dagegen nur ein geringes olfaktorisches Defizit aufwiesen und Patienten mit
progressiver supranukleärer Blickparese (PSP) bzw. kortikobasaler Degeneration sogar
ein normales Riechvermögen zeigten. Daten zum Langzeitverlauf der Riechfunktion bei
atypischen Parkinson-Syndromen lagen bisher allerdings nicht vor.
In der vorliegenden Studie sollte deshalb untersucht werden, wie sich das Riechvermögen
von Patienten mit MSA oder PSP über einen Zeitraum von einem Jahr entwickelt.
Patienten und Methode: Als validierten klinischen Test zur Untersuchung des Riechvermögens verwendeten wir
den „Sniffin-Sticks“-Test, bestehend aus einer Geruchsschwellenmessung (3fach „forced
choice“, „single staircase“), sowie einer Diskriminations- (3fach „forced choice“)
und Identifikationsprüfung (4fach „forced choice“). Die Schwere der Riechstörung wurde
durch den SDI-Wert ermittelt, der sich aus den 3 Subtests zusammensetzt.
Wir untersuchten 10 konsekutive PSP-Patienten (mittlere Krankheitsdauer: 5,5±2,6;
Hoehn und Yahr-Stadium (H+Y) im Mittel: 3,9) und 7 konsekutive MSA-Patienten (Parkinson-Subtyp;
mittlere Krankheitsdauer: 5±2,4; H+Y im Mittel: 4,1).
Die Riechtestung erfolgte bei jedem Patienten drei Mal innerhalb eines Jahres im Abstand
von 6,1±0,98 Monaten.
Ergebnisse: Die PSP-Patienten zeigten im Durchschnitt bereits bei der ersten Riechtestung eine
mittelschwere bis schwere Hyposmie, offensichtlich, weil wir vorwiegend PSP-Patienten
in fortgeschrittenen Stadien untersucht haben.
Das Riechvermögen der PSP-Patienten nahm gegenüber den an MSA Erkrankten innerhalb
eines Jahres signifikant (p=0,042; F=3,8) ab. So sank der durchschnittliche SDI-Wert
bei den PSP-Patienten von initial 18,9±5,6 auf 15,8±4,5, entsprechend einer Abnahme
von 20% innerhalb von 12 Monaten. Bei den MSA-Patienten hingegen war der SDI-Wert
praktisch unverändert (Beginn 22,6±6,2; Ende: 22,1±4,5).
Schlussfolgerung: Offensichtlich sind psychophysische Riechtests zur Differenzialdiagnostik vorwiegend
in Frühstadien von Parkinson-Syndromen hilfreich (Riechfunktion bei IPS deutlich beeinträchtigt,
bei MSA leicht betroffen, bei PSP normal). Im weiteren Verlauf entwickeln PSP-Patienten
offensichtlich auch einen signifikanten Riechverlust hin zu schweren Hyposmien und
Anosmien, während MSA-Patienten eher stabil eine leichte bis mittelgradige Hyposmie
zeigen.