Zusammenfassung
Infektionsprophylaktische Maßnahmen haben im niedergelassenen ärztlichen Bereich wie
auch in der ambulanten ärztlichen Versorgung einen hohen Stellenwert. Die konsequente
Umsetzung solcher Maßnahmen ist allerdings bisher verglichen mit der stationären Behandlung
keineswegs durchgängig. Dazu lassen sich zahlreiche Gründe heranziehen: So gibt es
bisher keine praxisgerechten und die Breite der Behandlung berücksichtigende Regelungen.
Den infektionsprophylaktischen Maßnahmen im niedergelassenen Bereich wird nicht der
erforderliche hohe Stellenwert zugewiesen, sie werden daher als nicht relevant vernachlässigt.
Es fehlen die statistische Erfassung und die infektionsepidemiologische Dokumentation
von im Verlauf der Behandlung im niedergelassenen ärztlichen Bereich erworbenen Infektionskrankheiten.
Eine Rückmeldung über die Auswirkung bei Nichteinhalten entsprechender infektionsprophylaktischer
Maßnahmen bleibt aus. Der Kenntnisstand über die regelrechte Durchführung von infektionsprophylaktischen
Maßnahmen bei niedergelassenen Ärzten/innen sowie medizinischen Assistenzberufen ist
defizitär. Dort, wo Kenntnisse vorhanden sind, werden entsprechende Maßnahmen insbesondere
aus ökonomischen Gründen nur beschränkt oder auch überhaupt nicht umgesetzt. Es fehlen
Kontrollmaßnahmen wie sie z. B. für den stationären Bereich durch die Festlegungen
des Infektionsschutzgesetzes eingeführt und auch umgesetzt worden sind. Es ist davon
auszugehen, dass die Prävalenz schwerer Infektionen im niedergelassenen Bereich geringer
ist als im Krankenhaus. Dennoch zeigt die zunehmende Zahl von gerichtlichen Verfahren
gegen niedergelassene Ärzte, bei denen Patienten/innen durch nicht eingehaltene bzw.
versäumte infektionsprophylaktische Maßnahmen gesundheitliche Schäden erlitten haben,
dass der Bedeutung solcher Maßnahmen auch in diesem ärztlichen Versorgungsbereich
zukünftig ein höherer Stellenwert zugeschrieben werden muss. Es erscheint sinnvoll,
Funktionsabläufe und Hygienepläne schriftlich zu fixieren und dabei die Beratung durch
einen Krankenhaushygieniker oder eine Fachkraft aus dem Gesundheitsamt zu suchen.
Solche Kontakte können auch wertvoll sein, wenn es überraschend notwendig wird, einen
Patienten sofort zu isolieren (z. B. bei SARS-Verdacht) und der Vorgang organisiert
werden muss.
Abstract
Despite the crucial importance of infection control measures for general and specialist
practitioners, implementation of these measures is inadequate in daily work routine.
There are a number of reasons for this: There are no feasible guidelines and regulations
which cover the broad spectrum of treatment in practice; documentation of infection
control measures or of infections occurring in the course of treatment in practice
is unsatisfactory; physicians and technical staff in a practice do not have sufficient
knowledge of infection control measures; as a consequence of economic restrictions
the necessary measures are not carried out; there is no Infection Prevention Act for
practices as the one existing for hospitals (in Germany). Although the prevalence
of treatment-related severe infections might be less frequent in practices as compared
to the hospital, the number of cases brought to trial by injured patients against
practitioners is on the rise. This may be taken as an indication that infection control
measures in practices should be granted a priority status. Therefore, it is crucial
to establish basic rules for preventive measures taking into account feasibility as
well as the economic situation in practices. In this context it is of utmost importance
to draw up standard operating procedures as an infection control policy and to be
in continuous contact with an experienced expert for infection control or for public
health.
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1 Bericht über die Arbeitstagung der Rudolf-Schülke-Stiftung am 6./7. November 2003
in Hamburg. Teilnehmer: S. Bilger, G. Bönig, M. Exner, P. Goroncy-Bermes, K.-O. Gundermann,
H. P. Harke (federführend), A. Hedtmann, P. Heeg, B. Henriot, W. Huppertz, Ch. Lipinski,
P. Oltmanns, S. Pecker, A. Rodewald, M. Rotter, H. Scheibe, J. Siebert, H.-G. Sonntag
(federführend), G. Wulff. - Bearbeitet mit freundlicher Genehmigung des mhp-Verlags,
Wiesbaden, von P. Heeg, Tübingen. Originalfassung in Hyg Med 2004; 29: 253 - 258
Prof. Dr. Peter Heeg
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
Universitätsklinikum Tübingen
Elfriede-Aulhorn-Straße 6
72076 Tübingen
eMail: peter.heeg@med.uni-tuebingen.de