TumorDiagnostik & Therapie 2005; 26(3): 119-136
DOI: 10.1055/s-2005-865791
Thieme-zertifizierte Fortbildung

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Funktionelle Organrekonstruktion in der gynäkologischen Onkologie

Functional Organ Reconstruction in Gynaecological OnologyB. Lampe1 , H. Egger2 , D,. M. Forner1
  • Leverkusen
  • Neumarkt/Oberpfalz
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. Juni 2005 (online)

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Entwicklung der Rekonstruktionsmöglichkeiten

Obwohl bereits 1948 von Brunschwig die „Komplette Exzision der Beckenorgane bei Krebserkrankung“ [1] beschrieben wurde, gehört die operative Behandlung lokal fortgeschrittener Tumorerkrankungen im kleinen Becken auch heute noch zu den schwierigsten Herausforderungen in der onkologischen Chirurgie. Die operationstechnischen Schwierigkeiten

Operationstechnische Schwierigkeiten beruhen auf: 1. enge Topographie, 2. Organinfiltration, 3. Folge der Primärtherapie

ergeben sich in erster Linie aus 1. der räumlich engen Topographie der Beckenorgane und 2. der meist vorliegenden organüberschreitenden Infiltration (Abb. [1]).

Abb. 1 Exenterationspräparat eines Zervixkarzinoms mit Infiltration der Blase und des Rektums (Foto: Dr. V. Dries, Mannheim).

Sowohl in der kurativen als auch in der palliativen Situation ist es nicht einfach eine entsprechende Operationsebene zu finden. Bestrahlungsfolgen verschärfen das Problem. So ist durch die heutige Veränderung der Bestrahlungstechnik die Dosis in der Beckenwand deutlich höher als früher unter reiner Radiumeinlage. Zusätzlich entstehen primär aufgrund des Krankheitsstadiums oder sekundär als Therapiefolge erhebliche funktionelle Einschränkungen durch die Beteiligung z. B. der Blase (Abb. [2]) oder des Darms (Kloakenbildung, jauchig infizierter Tumorzerfall mit massiver Geruchsbildung, Ileus, Blutungen, usw.). Über viele Jahrzehnte wurden weit fortgeschrittene Tumorerkrankungen im Becken deshalb als inoperabel eingestuft [2].

Abb. 2 Zystoskopie, Blasenbodeninfiltration bei primärem Zervixkarzinom mit klinischer Kloakenbildung.

Die Weiterentwicklung der Chirurgie hat in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass über die Entfernung erkrankter Organe hinaus ein funktioneller Organersatz

Funktioneller Organersatz führt zur entscheidenden Verbesserung der Lebensqualität.

möglich ist. Diese Entwicklung hat zu einer enormen und entscheidenden Verbesserung der Lebensqualität für die betroffenen Patientinnen geführt.

Da Daten auf der Basis randomisierter Studien nicht vorliegen und auch nicht zu erwarten sind, ist auch weiterhin die Einzelfallentscheidung notwendig.

Neben den Patientinnen, die wegen eines fortgeschrittenen genitalen Karzinoms primär zur Operation vorgestellt werden, war und ist der Anteil der Patientinnen dominierend, die sekundär, d. h. nach Radio-/Chemotherapie, eine umfassende operative Intervention benötigen. Durch die vorausgegangene Behandlung bestehen oft funktionelle Störungen (z. B. Stuhl- und Harninkontinenz) und in vielen Fällen ist zusätzlich der Allgemeinzustand deutlich reduziert [3].

Nach Einschätzung des Befundes und der Operationsmöglichkeit ist das ausführliche Gespräch mit der Patientin der ausschlaggebende Moment für die weitere Therapieentscheidung. Der Verlust des gesamten inneren Genitals bedeutet eine erhebliche psychische Belastung der Frau, ähnlich der von Patientinnen mit Brustamputationen.

Die Motivation der Patientin ist entscheidend für den Erfolg der Operation.

So selbstverständlich wie diesen der Wiederaufbau angeboten wird, sollten auch hier rekonstruktive Möglichkeiten angeboten werden. Wesentlich für den Erfolg solch umfangreicher operativer Maßnahmen ist die Motivation der Patientin.

Literatur

Prof. Dr. Björn Lampe

Klinikum Leverkusen gGmbH

Dhünnberg 60

51375 Leverkusen

eMail: lampe@klinikum-lev.de