Gesundheitswesen 2005; 67 - 60
DOI: 10.1055/s-2005-865582

Tuberkulose in der Oberpfalz

C Ellermeier 1, L Naumann 2, B Werner 3, S Böhm 4, C Sola 5, N Lehn 4, N Rastogi 5, M Pfeifer 1, 3
  • 1Abteilung der Inneren Medizin II der Universität Regensburg
  • 2Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Sachgebiet Infektiologie, Oberschleißheim
  • 3Lungenfachklinik Donaustauf
  • 4Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Universität Regensburg
  • 5TB&Mycobacteria Unit, Institute Pasteur de Guadeloupe

Ziel unserer Studie war eine umfassende Darstellung der Tuberkulose-Situation in der Oberpfalz (1,088 Millionen Einwohner, Regierungssitz Stadt Regensburg). In die Studie wurden 110 Patienten aufgenommen, die im Zeitraum vom Oktober 2001 bis Dezember 2003 an Tuberkulose erkrankten. Zu allen Patienten wurden epidemiologische Daten erhoben. Das Durchschnittsalter der 110 Patienten (75 männlich, 35 weiblich; 73 Deutsche, 37 aus dem Ausland) lag bei 52,9 Jahren. Männer erkrankten in höherem Alter als Frauen, aus dem Ausland stammende Patienten deutlich früher als Deutsche. Die Untersuchungsproben wurden nach der Kultivierung auf zwei Festmedien (Löwenstein-Jensen und Stonebrink) und dem Flüssigmedium modifiziert nach Middlebrook für das Bactec MGIT 960-Gerät einer Resistenztestung mit den Erstrang-Medikamenten INH, SM, EMB, RMP und PZA im BactecMGIT 960TB-Gerät unterzogen. Bei nachgewiesener Resistenz gegenüber mindestens einem Medikament wurden weitere Tuberkulostatika und Antibiotika mittels Bactec MGIT 960, der Proportionsmethode auf dem Löwenstein-Jensen-Medium und die MHK auf dem Middlebrook Medium getestet. Bei den in der Kultur positiven Proben wurde molekularbiologische Untersuchung mittels Spoligotyping (LA 413.11, Jena, mod. Protokoll nach van Embden) durchgeführt. Der Erregernachweis durch Sputummikroskopie gelang in 39,8% der Fälle, durch PCR in 22,9% und durch Kultur in 96,4% der Fälle. Bei 11 Patienten (10%) lag die Resistenz gegenüber mindestens einem der Erstrangmedikamente vor (11 bei INH, 5 bei SM, 1 bei EMB, 3 bei RMP, 2 bei PZA). Eine MDR-Tuberkulose (Resistenz mindestens gegenüber INH und RMP) lag bei 3 Patienten vor, zwei von ihnen waren im Ausland geboren. Mit 75,5% war die Lunge das am häufigsten betroffene Organ, gefolgt von der Pleura und intrathorakalen Lymphknoten. Mit 5,5% war die Rate an disseminierter Tuberkulose ausgesprochen hoch. Mit 32,7% ebenfalls überraschend hoch war der Anteil des Alkoholabusus an den Risikofaktoren, gefolgt von malignen Erkrankungen und Diabetes mellitus. Von den 98 Patienten, bei denen ein Krankenhausaufenthalt nötig wurde, waren 45,9% bis zu einem Monat und 29,6% zwischen einem und zwei Monaten in stationärer Behandlung. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle wurde initial eine Vierfachtherapie angeordnet, fast ausnahmslos nach der vom DZK empfohlenen Kombination von INH, RMP, EMB und PZA. Nach diesem Schema wurden 92,1% bis zu drei Monate lang behandelt bevor ein Wechsel des Therapieschemas stattfand. Die durch das Spoligotyping erhaltenen binären Codes ließen sich bei 86 Patienten bekannten SIT (Spoligo international type) der Datenbank spolDB3 zuordnen. M. tuberculosis Beijing (SIT 1) wurde in sieben Fällen nachgewiesen. Weitere 23 Einzel-Isolate (18 verschiedene binäre Codes) konnten allerdings keinem dieser bekannten SIT zugeordnet werden und sind von uns als neue SIT an die geplante Datenbank spol1DB4 gemeldet worden. Die Untersuchung zeigte ein umfassendes Bild zur Tuberkulose-Lage in der Oberpfalz, besonders zu den Auswirkungen einer starken Zuwanderung aus den Gebieten der NUS (neue unabhängige Staaten). Spoligotyping hat sich hier als gutes und relativ preisgünstiges Verfahren zur epidemiologischen Erstuntersuchung erwiesen und zur Entdeckung von 18 weltweit noch nicht beschriebenen Untertypen geführt.