Gesundheitswesen 2005; 67 - 41
DOI: 10.1055/s-2005-865563

Thermische Belastung der Bevölkerung in Großstädten während Hitzeperioden. Schlussfolgerung aus den Erkrankungen und Todesfällen in Karlsruher Pflegeheimen im August 2003

P Friebel 1
  • 1Landratsamt Karlsruhe

Während der extremen Hitzeperiode im August 2003 wurde aus einem Karlsruher Altenpflegeheim eine Häufung von Erkrankungen mit plötzlich einsetzendem Fieber, zum Teil mit Todesfolge gemeldet. Eine zum Ausschluss einer Gruppenerkrankung vom Gesundheitsamt Karlsruhe zusammen mit dem Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg umgehend durchgeführte Fallkontrollstudie ergab keinerlei Hinweis auf ein infektiöses Geschehen. Beobachtungen aus der intensivmedizinischen Behandlung wiesen schließlich daraufhin, dass der als septisches Krankheitsbild imponierenden Klinik ein Hitzeschaden im Sinne einer Hyperthermie zu Grunde lag. Eine Abfrage bei sämtlichen Karlsruher Pflegeheimen ergab für die Zeit vom 1. –17.8. insgesamt 79 Erkrankungs- und 27 Todesfälle, auf die die „Falldefinition“ – Fieber >38,5°C ohne erkennbare Ursache, das nicht auf antipyretische oder antibiotische Behandlung reagiert -zutraf. Pflegeheime in der Innenstadt waren besonders betroffen.

Dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zufolge ist sehr wahrscheinlich im 21. Jahrhundert häufiger mit hohen Maximaltemperaturen und heißen Tagen zu rechnen, als dies in den vergangenen Jahrhunderten der Fall war. Die Beobachtungen in Karlsruhe während des Hitzesommers 2003 unterstreichen, dass die Bevölkerung in Großstädten während einer Hitzewelle aufgrund des sog. „Effektes der urbanen Wärmeinsel“ zusätzlich exponiert ist. Entsprechend den Empfehlungen der Kommission „Hitzetote“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) wurden als Konsequenz aus den Ereignissen in Baden-Württemberg und Hessen sog. Hitzewarnsysteme etabliert. Derartige Maßnahmen, die auf die Änderung individuellen Verhaltens setzen, greifen am ehesten in Pflegeheimen. Besonders gefährdete, allein lebende Menschen werden aber über Merkblätter oder ambulante Pflegedienste nur schwer oder gar nicht erreicht. Vorsorgemaßnahmen sollten mit Blick auf die Klimaänderung daher auch auf eine Veränderung der Verhältnisse zielen, im Sinne der Milderung nachteiliger stadtklimatischer Auswirkungen.