Gesundheitswesen 2005; 67 - 40
DOI: 10.1055/s-2005-865562

Umweltgerechtigkeit – Die soziale Verteilung von Umweltbelastungen

G Bolte 1
  • 1Sachgebiet Umweltmedizin, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim

Unter der Bezeichnung „environmental justice“ werden in den USA seit Jahren die sozialräumliche Ungleichverteilung von Umweltbelastungen und deren gesundheitliche Folgen thematisiert. In der politischen Umsetzung wird unter Präventionsgesichtspunkten die Berücksichtigung von Aspekten der Verteilungs-, Verfahrens- und Vorsorgegerechtigkeit angestrebt. Umweltgerechtigkeit hat zum Ziel, das Auftreten neuer Umweltbelastungen zu verhindern, vorhandene Umweltbelastungen nach dem Verursacherprinzip zu minimieren, nicht eliminierbare Umweltrisiken „gerecht“ zwischen Bevölkerungsgruppen und Regionen zu verteilen, verschiedene soziale Gruppen gleich zu behandeln und Betroffene angemessen an den Planungs- und Entscheidungsverfahren zu beteiligen.

In Deutschland beginnt derzeit erst die Auseinandersetzung mit dem Thema Umweltgerechtigkeit. Ob und in welchem Ausmaß Umweltbelastungen und die Vulnerabilität für umweltbedingte Erkrankungen nach der sozialen Lage variieren, ist noch unzureichend und unsystematisch untersucht. Empirische Daten liegen bisher vor allem aus Sekundäranalysen umweltepidemiologischer Studien vor und belegen beispielsweise eine höhere Luftschadstoff- und Lärmbelastung sozial Benachteiligter.

Bei der Integration des Themas Umweltgerechtigkeit in die Schwerpunktaufgabe des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes könnten Ansatzpunkte für den ÖGD sein, beispielsweise Merkmale der sozialen Lage in eine umweltbezogene Gesundheitsberichterstattung aufzunehmen, Effektmodifikationen durch soziale Faktoren in die Bewertung von Schadstoffwirkungen einzubeziehen, soziale Belange in Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen zu berücksichtigen und die strukturellen Lebensverhältnisse (Wohn- und Umweltbedingungen) von besonders belasteten Bevölkerungsgruppen in den Mittelpunkt von Gesundheitsförderungsmaßnahmen zu stellen.