Gesundheitswesen 2005; 67 - 25
DOI: 10.1055/s-2005-865547

Organisatorische und epidemiologische Aspekte des Tuberkulose-Screenings bei Spätaussiedlern im Grenzdurchgangslager Friedland

J Dreesman 1, F Feil 2, D Hellwig 3, WR Wienecke 3
  • 1Niedersächsisches Landesgesundheitsamt, Hannover
  • 2Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit
  • 3Gesundheitsamt für die Stadt und den Landkreis Göttingen

Hintergrund: Das Grenzdurchgangslager (GDL) Friedland im niedersächsischen Landkreis Göttingen ist die zentrale Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes für Spätaussiedler. Gemäß § 36 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erfolgt bei Neuaufnahme in diese Einrichtung eine ärztliche Untersuchung auf eine ansteckungsfähige Tuberkulose.

Methodik: Die gesetzlich vorgesehene Röntgenaufnahme der Lunge wird durch ein arbeitsmedizinisches Dienstleistungsunternehmen durchgeführt. Fälle, die nach Abklärung eines auffälligen Befundes die Meldekriterien nach §§ 6 oder 7 IfSG erfüllen, werden dem Gesundheitsamt (GA) Göttingen gemeldet. Die epidemiologischen Auswertungen erfolgen durch das Niedersächsische Landesgesundheitsamt auf Basis der initial dem GA Göttingen gemeldeten Fälle.

Ergebnisse: In den Jahren 2002 bzw. 2003 wurden im GDL 90105 bzw. 73080 Aussiedler aufgenommen und untersucht. Daraus resultierten 197 bzw. 221 Tuberkulose-Meldefälle, entsprechend einer Prävalenz von 218 bzw. 302 pro 100 000 Untersuchte. Der Anteil offener Lungentuberkulosen betrug 45,2% in 2002 bzw. 38,5% in 2003. Angaben zur Resistenz lagen zu 56 bzw. 55 Fällen vor. Der Anteil der Resistenz gegen Isoniazid und Rifampicin (Multiresistenz) betrug 12,5% bzw. 18,2%, der Anteil jeglicher Resistenz gegen eines der fünf Erstrangmedikamente 41,1% bzw. 41,8%.

Diskussion: Die besorgniserregende hohe Prävalenz in der Gruppe der Aussiedler und der hohe Anteil multiresistenter Tuberkulosen rechtfertigt die für das Land Niedersachsen kostenintensive Screening-Untersuchung. Inwieweit bei den identifizierten Fällen nach Wegzug an den Bestimmungsort die Überwachung durch den ÖGD fortgesetzt und die Therapie erfolgreich abgeschlossen werden konnte, lässt sich anhand der niedersächsischen Daten nicht beurteilen.