Gesundheitswesen 2005; 67 - 5
DOI: 10.1055/s-2005-865527

Sozialstatus und Zukunftschancen – Schulärztliche Daten für die kommunale Planung

A Iseke 1
  • 1Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, Gesundheitsamt Münster

Ein niedriger Sozialstatus ist ein Risikofaktor für die ungünstige Entwicklung von Bildung, Berufschancen und Gesundheit. Die Zukunftschancen sozial belasteter Kinder werden breit diskutiert.

Die Beschreibung des Sozialstatus ist auf die Erhebung bestimmter Sozialindikatoren angewiesen. Besondere Schwierigkeiten bereitet dabei stets die Beschreibung des Sozialstatus von Kindern. Hierbei werden zumeist die Sozialindikatoren der Eltern herangezogen.

Kommunale Bildungs- und Gesundheitsplanung ist auf epidemiologische Daten angewiesen.

In den meisten Bundesländern sind Schuleingangsuntersuchungen flächendeckend etabliert. Die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste können dabei bei den Schulanfängern mithilfe strukturierter Interviews und standardisierter Untersuchungen u.a. Daten zu Entwicklungsstand, Gesundheitsversorgung und Sozialstatus erheben. Dabei ist jedoch die Erfassung ‘klassischer' Sozialdaten aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen häufig eingeschränkt. Da jedoch gleichzeitig diese klassischen Sozialindikatoren nur bedingt dazu in der Lage sind, den Sozialstatus von Kindern zu beschreiben, ist die Entwicklung neuer Ansätze erforderlich.

Faktoren, die auch unter Beachtung der informationellen Selbstbestimmung der Eltern regelmäßig im Rahmen von sozialpädiatrischen Untersuchungen erhoben werden können und die in Beziehung zu Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes und zum Sozialstatus stehen sind beispielsweise:

  • Vorschulische elterliche Förderung des Kindes (z.B. durch Sport, Schwimmen oder Musik)

  • Migrationshintergrund und Deutschkenntnisse des Kindes

  • Anzahl der Erwachsenen, die im Haushalt mit dem Kind leben

  • Sozialgepräge des Wohnbezirks der Familie gemessen am Sozialhilfeschlüssel

Aus diesen vier Faktoren hat der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst am Gesundheitsamt der Stadt Münster einen gewichteten Summenscore entwickelt. Mithilfe dieses Scores lassen sich die Schulanfänger in drei Gruppen einteilen. Je geringer die Punktzahl, um so geringer die im Vorschulalter erworbenen Ressourcen bzw. um so höher das Risiko, in verschiedenen Bereichen Auffälligkeiten zu zeigen.

In der epidemiologischen Auswertung zeigt sich eine gute Korrelation des Scores mit Items, bei denen ein Zusammenhang mit dem Sozialstatus allgemein bekannt ist oder vermutet wird (u.a.: Vorsorgestatus, Sprachvermögen, Schulfähigkeitsprofil, Zahnkaries, Adipositas, Stilldauer).

Durch kumulierte Auswertungen ist es möglich, mithilfe der Daten der Kinder „Risikoprofile“ für Kindertagesstätten, Schulen oder Wohnbezirke zu erstellen.

Der „Münsteraner Schulanfängerscore“ findet in Münster zunehmend Eingang in die kommunale Bildungs- und Gesundheitsplanung. Mithilfe des Scores ist es möglich, die Allokation von Sach- und Personalmitteln im Gesundheits- und Bildungswesen auf objektivere Grundlagen zu stellen sowie Wirkungen von Maßnahmen zu evaluieren.

Es scheint möglich, durch Anwendung des Scores bereits im Kindergartenalter Förderbedarfe frühzeitiger zu beschreiben und den Entwicklungsverlauf zu beobachten.

Als epidemiologisches Instrument hat sich der Münsteraner Schulanfängerscore als hilfreich erwiesen, schulärztliche Daten routinemäßig in die Kommunalplanung einfließen lassen zu können. Der Score kann im Rahmen sozialpädiatrischer Untersuchungen leicht erhoben werden und ermöglicht es, schulärztliche Erfahrungswerte transparent abzubilden. Die Möglichkeiten der Sozialpädiatrie in der Kommune können damit ausgebaut und die Wertigkeit schulärztlicher Daten für die kommunale Planung erhöht werden.