Zeitschrift für Palliativmedizin 2005; 6 - 58
DOI: 10.1055/s-2005-865427

GABA, NMDA und noch mehr – Transmitter und Rezeptoren in der Nozizeption

W Zieglgänsberger 1
  • 1Max Planck Institut für Psychiatrie, München

Nozizeptive Signale setzen an der ersten synaptischen Schaltstelle im Hinterhorn des Rückenmark vor allem L-Glutamat und Substanz P frei und aktivieren so die Weiterleitung der Signale in segmentale und rostrale Strukturen. Eine anhaltende Aktivität in den Nozizeptoren führt über die Expression von Genen zu funktionellen und strukturellen Veränderungen in den betroffenen Nervenzellen. Zahlreiche synaptische, endokrinologische und immunologische Faktoren können die Erregbarkeit der Neurone in neuronalen Schaltkreisen modulieren. Die wichtigsten an der Vermittlung von nozizeptiver Information beteiligten Transmitter sind, neben L-Glutamat und dem Neuropeptid Substanz P, die hemmenden Transmitter GABA und Glyzin sowie Opioide und Monoamine. Es gibt mehrere, meist funktionell hemmende Systeme, die durch akute Schmerzreize aktiviert werden (u.a. das Endorphinsystem, GABAerge Interneurone und monaminerge, deszendierende Bahnsysteme) sowie endogene Faktoren, die einer Chronifizierung entgegenwirken. L-Glutamat interagiert mit unterschiedlichen Rezeptoren: verschiedenen Ionenkanälen (NMDA und AMPA) und mit an G-Proteine gekoppelten sog. metabotropen Glutamatrezeptoren. GABA und Glyzin werden vorwiegend von segmentalen inhibitorischen Interneuronen freigesetzt. Eine Abnahme der Hemmung führt zu einer Erhöhung der synaptischen Übertragungsstärke und zur vermehrten Ausbildung eines sensorischen und kognitiven Schmerzgedächtnisses. Die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung haben zu einem Paradigmenwechsel in der medikamentösen Schmerztherapie geführt. Nicht adäquat therapierte akute Schmerzen können eine Chronifizierung auslösen (Schmerzgedächtnis). Durch verschiedene Therapiemaßnahmen können auch Extinktionsmechanismen angeregt werden. Das Nervensystem von Säugetieren bildet sogenannte Endocannabinoide, die ähnlich wie Endorphine mit spezifischen Rezeptoren auf Nervenzellen interagieren. Neuere Untersuchungen lassen vermuten, dass diese endogenen Substanzen eng mit der Extinktion aversiver neuroplastischer Lernvorgänge assoziiert sind.