Zeitschrift für Phytotherapie 2005; 26(1): 27-29
DOI: 10.1055/s-2005-865248
Praxis

Problemfall Blähungen

Praktische PhytotherapieUrsel Bühring
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Publication Date:
08 April 2005 (online)

Blähungen sind häufige Begleitsymptome einer gestörten Verdauung und quälende Beschwerden, die oft schamhaft verschwiegen werden. Die dabei entstehenden Darmgeräusche werden z.T. mühsam und unter Schmerzen unterdrückt. Die Ursachen sind vielfältig: blähende Speisen, Verdauungsstörungen (vor allem der Galle), Verstopfung, entzündliche Darmkrankheiten, bakterielle Fehlbesiedelung des Darmes, Nahrungsmittelallergien, Nahrungsunverträglichkeiten, Medikamente, Erkrankungen der Gallenblase (Cholezystopathien) oder Arteriosklerose an den Mesenterialgefäßen (in diesem Fall werden die Gase ungenügend resorbiert). Auch ein »chronischer Blinddarm«, das so genannte »Reizdarmsyndrom« und Nabel- und Dreimonatskoliken der Kinder zeigen sich mit blähungsähnlichen Beschwerden. Roemheld hat auf die Beziehung zwischen Meteorismus und Herzkranz- und anderen großen Gefäßen aufmerksam gemacht und schuf den Begriff des »gastrokardialen Symptomenkomplexes« bzw. des Roemheld-Syndroms: Die Herzachse wird durch den Zwerchfellhochstand aufgrund der Ansammlung von Gasen im Darm verschoben. Dadurch wird die Durchblutung des Herzens vermindert und es können Herzschmerzen entstehen.

Das Beschwerdebild des Meteorismus ist ein häufiger Vorstellungsgrund in der Praxis. Linderung bietet die Phytotherapie mittels Karminativa (von lat. »carminare: reinigen«). Karminativa sind blähungstreibende Mittel, die eine Beseitigung der schmerzhaften Gasansammlungen in Magen und Darm bewirken. Zusätzlich wirken sie krampflösend und leicht antimikrobiell, erleichtern das Aufstoßen nach der Nahrungsaufnahme und lösen ein wohltuendes inneres Wärmegefühl aus. Experimentelle Arbeiten haben gezeigt, dass die Magenschleimhaut vermehrt durchblutet und die Magenmuskulatur tonisiert wird, und dass es innerhalb von 5-15 Minuten nach Einnahme eines Karminativums zu Gas- oder Flüssigkeitsausstoßung aus dem Magen kommt. Es wird vermutet, dass die ätherischen Öle den Druck des Ösophagussphinkters (Speiseröhrenschließmuskels) herabsetzen; möglicherweise reflektorisch aufgrund einer Hyperämie der Kardia. Dadurch kommt es zu einem Druckausgleich zwischen Mageninnenraum und Speiseröhre, der zum Aufstoßen, aber auch zum Reflux führen kann. Ein anderes Erklärungsmodell weist darauf hin, dass es durch eine lokale Reizung der Magenschleimhaut zu einem Tonusanstieg bestimmter Magensegmente sowie zu einer Verstärkung der rhythmischen Kontraktionen kommen kann. Auch die spasmolytischen und antimikrobiellen Eigenschaften der Karminativa tragen zu ihrem günstigen Einfluss auf Meteorismus und Flatulenz bei. Auch bei infektiösen Darmerkrankungen und Gärungsdyspepsien können Karminativa günstig wirken. Kinder scheinen auf Karminativa deutlicher zu reagieren als Erwachsene.

Kümmel, Fenchel und Anis

Die klassischen Karminativa sind die Früchte von Kümmel, Fenchel und Anis. In der karminativen Wirkung ist Kümmel am stärksten und Anis am schwächsten (als Expektorans ist Anis am stärksten und Kümmel am schwächsten). Fenchel steht jeweils in der Mitte, er ist geschmacklich am beliebtesten. Hinweis: Die Früchte werden in Teemischungen »contusa« verordnet, d.h. frisch angequetscht, damit die ätherischen Öle austreten können. Bitte machen Sie Ihre Patienten darauf aufmerksam. Die ätherischen Öle dieser Gewürze entfalten motilitätssteigernde und krampflösende Effekte, die neben der Drucksenkung des Ösophagussphinkters auch eine Entkrampfung des Zwölffinger- und Dickdarmes nach sich ziehen. Im weiteren Sinne zählt man auch Dillsamen, Engelwurz, Gelbwurz, Kamillenblüten, Koriander, Melisse, Pfefferminze und Zimt zu den Karminativa, desgleichen Bittermittel wie Enzianwurzel oder Wermutkraut.

Anis

Schon bei den Römern hielt Anis (Pimpinella anisum), der weißblühende Doldenblütler aus dem Orient, Einzug in die gehobene Küche. Anis findet Verwendung in Brot, weihnachtlichem Gebäck und in Alkoholika wie Raki, Ouzo oder Pastis.

Anisfrüchte © Roland Spohn

Inhaltsstoffe: Ätherisches Öl (trans-Anethol), fette Öle.

Wirkungen: Blähungswidrig, schwach krampflösend, antibakteriell, auswurffördernd. Steigerung der Speichel- und Magensaftsekretion.

Verwendung: Blähungen; wichtiges Expektorans und Geschmackskorrigens.

Darreichungsformen: Tee, Fertigpräparate. Bei Verdauungsbeschwerden genügt u.U. auch kräftiges Würzen.

Tagesdosis: 3,0 g Droge. Bei äußerer Anwendung Zubereitungen mit 5-10% ätherischem Öl, z.B. gelöst in Oliven- oder Erdnussöl.

Nebenwirkungen: In Einzelfällen allergische Reaktionen von Haut, Atemwegen oder Magen-Darm-Trakt.

Gegenanzeigen: Allergie gegen Anis oder Anethol.

Hinweis: Bei unsachgemäßer Lagerung des ätherischen Öls (nicht der Droge!) entsteht die Photoanethol (östrogenartige Wirkung).

Präparate (Beispiele): Aspasmon® N Tr. (mit Anis- und Pfefferminzöl), Bäuchlein-Salbe Babynos® (mit Kümmel).

Teezubereitung: 1 TL (2-3 g) frisch gequetschte Droge mit 150 ml heißem Wasser überbrühen, 10 min abgedeckt ziehen lassen. 3 × tägl. 1 Tasse zu den Mahlzeiten warm trinken.

Kommission E: Innere und äußere Anwendung: Katarrhe der Luftwege. Innere Anwendung: dyspeptische Beschwerden.

Fenchel

Schon in den alten Hochkulturen Ägyptens, Chinas und Arabiens war Fenchel (Foeniculum vulgare) ein geschätztes Heilmittel. Fencheltee hat sich bis heute in der Kinderheilkunde bewährt, nicht nur, weil er die schmerzhaften Koliken lindert, sondern weil er so gut schmeckt. Stillenden Müttern soll er mehr Milch schenken, die Säuglinge erhalten über die Muttermilch das Heilmittel gegen Blähungen.

Fenchelfrüchte © Roland Spohn

Inhaltsstoffe: 2-5% ätherisches Öl mit Anethol und Fenchon, fettes Öl, Eiweiß, Flavonoide.

Wirkungen: Blähungshemmend, krampflösend, appetitanregend, Förderung der Magensekretion und der Magen-Darm-Motilität. Auswurffördernd, keimhemmend im Bronchialbereich, erhöht die Aktivität der Flimmerhärchen, schleimlösend.

Verwendung: Bei Blähungen, Säuglingsdyspepsie mit Durchfall: Fencheltee und Fasten. Als krampflösendes und blähungshemmendes Mittel insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern, als schleimlösendes Mittel bei Erkältungskrankheiten vor allem bei Kindern (Fenchelhonig), zur Appetitanregung (Aperitif) und als Geschmackskorrigens.

Darreichungsformen: Tee, Fenchelhonig, Fenchelsirup, Aperitif, Fertigpräparate.

Tagesdosis: Fenchelfrüchte: 5-7 g Droge. 10-20 g Fenchelsirup oder Fenchelhonig.

Nebenwirkungen: Für Teezubereitungen nicht bekannt. Das ätherische Öl kann bei äußerlicher Anwendung in Einzelfällen allergische Haut- oder Atemwegsreaktionen hervorrufen und sollte bei Schwangerschaft und für Säuglinge und Kleinkinder nicht angewendet werden.

Gegenanzeigen: Für Teezubereitungen nicht bekannt.

Präparate: Kneipp Flatuol® Tbl, Gastricholan-L® Tr. (mit Kamille und Pfefferminz), Pascoepankreat® Tbl. (mit Condurangorinde und Wermut).

Teezubereitung: 1 TL frisch gequetschte Fenchelfrüchte (2,5 g) mit 1 Tasse heißem Wasser überbrühen, 5 min bedeckt ziehen lassen. Mehrmals täglich 1-2 Tassen trinken.

Kommission E: Dyspeptische Beschwerden wie leichte krampfartige Magen-Darm-Beschwerden, Völlegefühl, Blähungen. Katarrhe der oberen Luftwege.

Kümmel

Der feinfiedrige, weißrötlich blühende Kümmel (Carum carvi) gehört ebenfalls zu den Doldenblütlern. Kümmel ist ein uraltes Gewürz; wem es als ganzes Korn nicht schmeckt, kann Kümmelkörner in ein Säckchen gebunden mitkochen und anschließend entfernen, dann entfaltet sich ein zartes, verdauungsförderndes Aroma. Oder man gibt den Kümmel frisch und feingemahlen zu Brot, Gemüse, Kartoffel- und Kohlgerichten oder Quark.

Inhaltsstoffe: 3-7% ätherische Öle (Carvon, Limonen, Dihydrocarveol, Carveol), fettes Öl, Eiweiß, Gerbstoffe, Zucker, Flavonoide, Phenylcarbonsäuren, Cumarine und Harze.

Wirkungen: Blähungstreibend, krampflösend, verdauungsfördernd, appetitanregend, durchblutungsfördernd (Magen-Darm-Schleimhaut, choleretisch, keimhemmend und antimykotisch (Darm). Außerdem auswurffördernd, antimikrobiell und desinfizierend.

Verwendung, innerlich: Meteorismus, Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Blähungen, leichte krampfartige Magen-Darm-Störungen und Verdauungsbeschwerden bei Säuglingen. Äußerlich: Das ätherische Öl verdünnt in Pflanzenölen als durchblutungsförderndes und mild hautreizendes Einreibemittel oder zum Einreiben bei Nabelkoliken der Kinder (lokale Resorption über die Bauchhaut).

Darreichungsformen: Innerlich: Die Früchte frisch gemörsert als Tee, Aperitif, Gewürz. Äußerlich: als 3%ige Kümmelöleinreibung.

Tagesdosis: 1,5-6 g Droge.

Nebenwirkungen/Gegenanzeigen: Nicht bekannt.

Präparate: Aspasmon® N Tr. (mit Anis- und Pfefferminzöl), Bäuchlein-Salbe Babynos® (mit Anis), Carminativum Hetterich Tr. (mit Fenchel, Kamille, Kümmel, Pomeranzenschalen), Carum carvi Zäpfchen Weleda, Kneipp Flatuol® Filmtbl. (mit Enzian, Fenchel, Pfefferminz), Lomatol® Tr. (mit Fenchel, Pfefferminz, Wermut).

Teezubereitung: 1 TL frisch gequetschte Droge (2-3 g) mit 150 ml siedendem Wasser überbrühen, 10-15 min abgedeckt ziehen lassen. 2-4-mal tägl. eine Tasse warm zwischen den Mahlzeiten trinken.

Kommission E: Dyspeptische Beschwerden wie leichte, krampfartige Beschwerden im Magen-Darm-Bereich, Blähungen und Völlegefühl.

Pfefferminze

So gern Pfefferminztee getrunken wird, er sollte kein Dauerteegetränk sein! Menthol stimuliert die Bildung von Magensäure und kann zu Magenschmerzen führen. Außerdem kann er, insbesondere bei abendlicher Zufuhr, Refluxbeschwerden auslösen.

Inhaltsstoffe: 0,5-4% ätherisches Öl (Hauptbestandteil: Menthol 35-50%), Flavonoide und Gerbstoffe.

Wirkungen: Krampflösend, schmerzlindernd, verdauungsfördernd, gallenflussfördernd, gärungswidrig und antiseptisch. Reines Menthol wirkt im Bereich der Atemwege sekretlösend, äußerlich örtlich betäubend und erfrischend.

Verwendung: Tee bei krampfartigen Magenbeschwerden und Gallenleiden. Blätter und ätherisches Öl als Geruchs- und Geschmackskorrigens bei Arznei- und Körperpflegemitteln.

Darreichungsformen: Tee, Likör, Fertigpräparate.

Tagesdosis: 3-6 g Droge, 5-15 g Tinktur.

Nebenwirkungen/Gegenanzeigen: Blätter: bei Gallensteinleiden nur nach Rücksprache mit dem Arzt.

Öl: Nicht bei Verschluss der Gallenwege, Gallenblasenentzündungen oder schweren Leberschäden; pfefferminzölhaltige Zubereitungen nicht bei Säuglingen und Kleinkindern.

Präparate: Aspasmon® N Tr. (mit Anis- und Pfefferminzöl), Carminativum Hetterich Tr. (mit Fenchel, Kamille, Kümmel, Pomeranzenschalen), Kneipp Flatuol® Filmtbl (mit Enzian, Fenchel, Pfefferminz), Rowachol® Digestiv Kaudrg. (mit Menthol u.a. äth. Ölen).

Teezubereitung: 1 TL (1 g) Droge mit 1 Tasse siedendem Wasser übergießen, bedeckt 10 min ziehen lassen. 3-4-mal täglich 1 Tasse.

Kommission E: Krampfartige Beschwerden im Magen-Darm-Bereich sowie der Gallenblase und -wege.

Teemischungen

Zu einer umfassenden Therapie eignen sich Teemischungen, die neben Kümmel, Fenchel und Anis auch spasmolytische und beruhigende Pflanzen wie Pfefferminze, Gänsefingerkraut, Melisse oder Kamille enthalten, bei Verdauungsbeschwerden Bitterpflanzen wie Schafgarbe oder Wermut.

Literatur

  • 1 Bühring U. Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde. Stuttgart; Sonntag 2005
  • 2 Fintelmann V, Weiss R. Lehrbuch der Phytotherapie.  10 Stuttgart; Hippokrates 2002
  • 3 Lennecke K, Hagel K, Przondziono K. Selbstmedikation für die Kitteltasche. Leitlinien zur pharmazeutischen Beratung.  2 Stuttgart; Deutscher Apotheker Verlag 2004
  • 4 Meyer E. Tee-Rezepturen. Loseblatt. Stuttgart; Deutscher Apotheker Verlag 2004
  • 5 Schulz V, Hänsel R. Rationale Phytotherapie.  5 Berlin; Heidelberg: Springer 2004
  • 6 Wichtl M (Hrsg.). Teedrogen und Phytopharmaka.  4 Stuttgart; Wissenschaftl. Verlagsges 2002

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