Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - PV_024
DOI: 10.1055/s-2005-863589

Frühes Lernen: Langzeitfolgen für die Gesundheit

UT Egle 1
  • 1Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinik Mainz

Wissenschaftliche Langzeitstudien erbrachten in den letzten 20 Jahren, dass die Wahrscheinlichkeit, im Erwachsenenalter eine psychische oder psychosomatische Erkrankung zu entwickeln, durch das Einwirken psychosozialer Stresserfahrungen in der Kindheit (bis zum 14. Lebensjahr) um das 5- bis 20fache erhöht wird. Je mehr von den heute gesicherten etwa 15 Belastungsfaktoren auf die Entwicklung des Kindes einwirkt, desto höher das Risiko, im Erwachsenenalter psychisch bzw. psychosomatisch krank zu werden.

Verantwortlich für diese Langzeitwirkung früher Lernprozesse sind sowohl neurobiologische als auch entwicklungspsychologische Prozesse, welche lebenslang mit einander interagieren. Die dabei wirksamen Mechanismen werden dargestellt und exemplarisch bei einzelnen psychischen, aber auch körperlichen Erkrankungen aufgezeigt. Besondere Bedeutung haben frühe Stresserfahrungen auch für eine erhöhte Vulnerabilität für Persönlichkeitsstörungen und Delinquenz. Diesbezüglich lassen sich „Vulnerabiltätsmuster“ im Sinne einer spezifischen Kombination bestimmter Stressfaktoren für unterschiedliche Persönlichkeitsstörungen differenzieren. Konsequenzen für psychotherapeutische Interventionen und Prävention werden skizziert.