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DOI: 10.1055/s-2005-863508
Subjektive Krankheitstheorien bei Patienten mit akuten Leukämien kurz nach Diagnosestellung
Einleitung: Patienten mit Akuter Leukämie sind erheblichen psychosozialen Belastungen ausgesetzt und gezwungen, sich an die veränderte Lebenssituation anzupassen. Subjektive Krankheitstheorien stellen eine wichtige Dimension dieses sehr komplexen Prozesses dar. Bei vielen Patienten ist zudem die Kompetenz eingeschränkt, medizinische Informationen zu verstehen (health literacy). Bestehen zu große Diskrepanzen zwischen subjektivem Verständnis und Expertenwissen, können Missverständnisse entstehen und in Non-Compliance münden (Flick 1998). Methodik: Wir wählten ein Vorgehen im Sinne der qualitativen Forschungslogik. Mit 12 an akuter myeloischer oder lymphatischer Leukämie Erkrankten wurde etwa eine Woche nach Diagnosestellung ein semistrukturiertes Leitfadeninterview durchgeführt und mit Methoden der qualitativen Sozialforschung ausgewertet. Ergebnisse: Die jüngeren Patienten unserer Stichprobe (<33 Jahre) gehen relativ offen mit ihrer Erkrankung um, erleben diese ganzheitlich, suchen nach weiteren Informationen und können Grübeleien zulassen. Für sie stellt die momentane Situation nur eine Pause vom Leben dar. Ältere Patienten (>50 Jahre) wehren in hohem Maße ab: Das Erleben wird auf die Körperlichkeit beschränkt, seelische Prozesse ausgeblendet, Informationen werden gemieden, um Grübeleien zu verhindern. Eine sichtbare Beeinträchtigung der körperlichen Integrität durchbricht jedoch die Abwehr einiger Patienten. Hoffnungen werden von den älteren Patienten an äußere Umstände gebunden, dabei bestehen Befürchtungen. Möglichkeiten eigener Einflussnahme werden von unseren Patienten in passivem Kampf, Anpassung und zaghafter Eigeninitiative gesehen. Diskussion: Die direkte Betroffenheit kurz nach Diagnosestellung führt zu einer Orientierungslosigkeit, die durch Anpassung an institutionelle Strukturen und Ablaufmuster aufzuheben versucht werden. Besonders bei den älteren Patienten besteht eine große Distanz zum eigenen Drama.
Schlüsselwörter
Interviews - Leukämie - qualitative Forschung - subjektive Krankheitstheorien