Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - P_059
DOI: 10.1055/s-2005-863495

Der Zusammenhang zwischen Schwere der Symptomatik und der Ausprägung der impliziten und expliziten Motive Affiliation, Leistung und Macht

JK Hofer 1, M Israel 2, J Schellong 2, T Simmich 2, P Joraschky 2, K Pöhlmann 2
  • 1Institut für Psychologie, Universität Osnabrück
  • 2Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Universitätsklinik „Carl Gustav Carus“, Dresden

Neuere Ansätze der Motivationspsychologie postulieren zwei voneinander unabhängige Motivationssysteme (McClelland, Koestner & Weinberger, 1989). Vorsprachlich entwickelte implizite Motive beziehen sich auf breite Klassen von Anreizen, bewußte Motive bestimmen das Handeln der Person in spezifischen Situationen. Die Studie analysierte Zusammenhänge zwischen der Ausprägung der Symptomatik und der Stärke der impliziten und expliziten Motive sowie ihrer Interaktion. Als Symptommaß wurde der GSI der SCL-90-R erhoben. Die impliziten Motive Affiliation, Leistung und Macht wurden durch ein projektives Verfahren (TAT), die bewussten Motive durch den Persönlichkeitsfragebogen PRF erfasst. Die Stichprobe bestand aus 62 stationär behandelten Psychosomatikpatienten (39 Frauen; Alter M=32,3, SD=10,3). Alters- und Geschlechtseffekte gab es nicht. Der Zusammenhang der beiden Motivmaße sowie ihrer Interaktion mit der Symptomatik wurde durch hierarchische Regressionsanalysen geprüft. Für den Motivbereich Bindung zeigte sich, dass ein starkes implizites Bedürfnis nach Affiliation und ein schwach ausgeprägtes explizites Affiliationsmotiv mit höheren GSI Werten einhergingen (ps<0,05; R2=0,15). Weder die Ausprägungen des impliziten noch des expliziten Leistungsmotivs hatten einen Effekt auf die Symptomatik. Ein signifikanter Interaktionseffekt fand sich für das Machtmotiv. Personen, die sowohl implizit als auch explizit ein gering ausgeprägtes Machtmotiv zeigten, hatten höhere Symptomwerte (GSI) als Personen, die implizit wenig machtmotiviert und im Selbstbericht stärker machtmotiviert waren (p<0,05; R2=0,09). Für implizit stark machtmotivierte Patienten ergaben sich unabhängig vom Ausmaß ihrer expliziten Dominanzmotivation vergleichbare GSI Werte. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das Vermeiden von machtthematischen Anforderungen zu weniger Wirksamkeit und Agencyerfahrungen beiträgt und sich dadurch negativ auf die seelische Gesundheit auswirkt.