Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - P_029
DOI: 10.1055/s-2005-863465

Geschlechtsunterschiede in den zeitlichen Verteilungsmustern von Bahnsuiziden

NS Erazo 1, JJ Baumert 1, KH Ladwig 1
  • 1Institut und Poliklinik für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Klinikum rechts der Isar, TU München

Einführung: Die Befundlage zu den zeitlichen Mustern von Bahnsuiziden als besonders harte Suizidmethode, die von Frauen und Männern unterschiedlich häufig angewendet wird, ist widersprüchlich. Das Ziel der Studie war es, die zeitlichen Muster von suizidalem Verhalten auf dem Bahngleis unter besonderer Beachtung des Geschlechts zu beschreiben, um Möglichkeiten der Prävention zu entwickeln. Methode: Eingeschlossen wurden Bahnsuizide, die sich zwischen 1997 und 2002 im Netz der Deutschen Bahn AG (DB) ereigneten. Datenquelle war die Unfall-Datenbank der DB, in der Suizide unter Angabe des Zeitpunkts ihres Auftretens sowie des Geschlechts und Alters des Suizidenten erfasst sind. Unterschiede zwischen kategorialen Variablen sowie signifikante zeitliche Muster wurden mittels χ2-Statistik ermittelt. Odds Ratios wurden mittels logistischer Regressionsmodelle berechnet. Ergebnisse: Insgesamt ereigneten sich 5731 suizidale Ereignisse mit validen Geschlechtsangaben in 4003 Fällen und einer Mann: Frau-Ratio von 2,70: 1 (p<0,0001). Die weibliche Gruppe war signifikant älter (p<0,001). Die saisonale Verteilung erwies sich für Männer <65 Jahren als bimodal mit Maxima im April und September (p=0,01), verlor jedoch in der 2. Hälfte des Studienzeitraums seine Signifikanz. Frauen suizidierten sich eher tagsüber, insbesondere zwischen 9.01 und 12.00 Uhr, Männer suizidierten eher zwischen 18.01 und 21.00 Uhr. Das zirkadiane Muster wurde von der Jahreszeit moduliert, wobei sich im Sommerhalbjahr die Risikozeit für Suizide morgens um ca. 3h nach vorne und abends um ca. 3h nach hinten verschob. Schluss: Die Analysen zeigten deutliche zeitliche Asymmetrien von Bahnsuiziden, die von saisonalen Faktoren beeinflusst sind. Unterschiede zwischen Männern und Frauen deuten auf geschlechtsspezifische Prozesse im suizidalen Geschehen hin. Insgesamt machen die Befunde auf Hochrisikozeiten suizidalen Verhaltens im Bahnbereich aufmerksam, die bei der Prävention Beachtung finden sollten.