Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - S_086
DOI: 10.1055/s-2005-863432

Welche Konsequenzen haben die Befunde zur Neurobiologie von Bindungstraumatisierungen für die Behandlungsplanung schwerer Persönlichkeitsstörungen?

W Wöller 1
  • 1Rhein-Klinik Bad Honnef

Umfassende Störungen der Emotionsregulation sind ein häufiges Problem in der Behandlung von Patienten mit komplexen Traumafolgestörungen. Die neurobiologische Forschung der letzten Jahre hat die Zusammenhänge zwischen einem Scheitern der frühen dyadischen Affektregulation in der Mutter-Kind-Beziehung, der Entwicklung sicherer Bindungen, dem frühen Hirnwachstum und der späteren Fähigkeit zur Emotionsregulierung eindrucksvoll darstellen können. Zunehmend wird deutlich, dass eine Integration psychoanalytischer, bindungstheoretischer und neurobiologischer Erkenntnisse für ein tieferes Verständnis der Psychopathologie chronisch traumatischer und persönlichkeitsgestörter Patienten unverzichtbar und für die Konzeptualisierung der Behandlung schwerer Persönlichkeitsstörungen von großer Bedeutung ist.

Kliniker sind bisher in der Behandlung persönlichkeitsgestörter und komplex traumatisierter Patienten mit verschiedenen konkurrierenden Behandlungsmodellen konfrontiert. Die einzelnen Modelle – wie die Übertragungsfokussierende Psychotherapie für Borderline-Patienten (Kernberg/Clarkin), die Dialektisch-behaviorale Psychotherapie für Borderline-Patienten (Linehan), die Mentalization-based Treatment (Bateson & Fonagy) und neuere traumatherapeutische Ansätze (Reddemann/Sachsse; EMDR) – bedürfen vor diesem Hintergrund eines integrierenden Verständnisses und einer kritischen Prüfung ihres Indikationsspektrums. Dazu sollen differenzialtherapeutische Überlegungen vorgetragen werden.